Junge Forschung

Kirchliche Traditionen im Wandel

Beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Spannungsfeld von Kontinuität und Offenheit für Neues: Elisabeth Höftberger.
Beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Spannungsfeld von Kontinuität und Offenheit für Neues: Elisabeth Höftberger. Camera Suspicta/Susi Berger
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Die Theologin Elisabeth Höftberger geht am Beispiel des Verhältnisses zwischen Christen- und Judentum der Frage nach, wie sich religiöse Haltungen bewegen.

Der eigene Standpunkt prägt die Forschung. Diesen Grundsatz hat Elisabeth Höftberger in ihrer wissenschaftlichen Karriere verinnerlicht – gerade auch deshalb, weil sie Theologin ist und in diesem Fach diese offene Wissenschaftskultur eine besonders große Rolle spielt. „Ich mag an der Theologie, dass es eine sehr transparente Wissenschaft ist. Man lernt, sensibel für den eigenen Standpunkt zu sein, ihn zu hinterfragen und manchmal auch aufzugeben“, erzählt die 31-jährige Forscherin, die im März an der Universität Salzburg sub auspiciis praesidentis promoviert hat.
Eine solch offene Wissenschaftskultur habe sich auch deshalb entwickelt, weil das Fach in der Vergangenheit immer wieder unter starkem Rechtfertigungsdruck für Standpunkte gestanden sei, glaubt Höftberger. Sie beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Spannungsfeld von Kontinuität und Offenheit für Neues: In ihrer Dissertation ging sie der Frage nach, wie das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) die katholische Kirche in ihrer Haltung gegenüber dem Verhältnis zum Judentum verändert hat.

Sensiblerer Umgang mit Passionstexten

„Anhand dieser Verhältnisbestimmung lässt sich die Beweglichkeit kirchlicher Traditionen beobachten“, sagt Höftberger: „Jahrhundertelang prägte ein theologisch begründeter Antijudaismus den Umgang der beiden Religionen. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich eine Haltung des Dialogs entwickelt.“ Als ein Beispiel nennt Höftberger das Verbot des Kults um Anderl von Rinn oder auch den sensibleren Umgang mit den Passionstexten, die in der Karwoche gelesen werden. „In der liturgisch-volkstümlichen Praxis steckte lang ein untergründiger Antijudaismus.“ Da werde heute viel genauer hingeschaut und dieser Haltung entgegengewirkt.

Ihr Interesse für Religion wurde der gebürtigen Oberösterreicherin im Elternhaus in Bad Ischl mitgegeben: „Meine Mutter ist Religionslehrerin.“ Höftberger maturierte an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Bad Ischl mit Schwerpunkt auf Sozialmanagement. Sie entschied sich für das Lehramtsstudium Germanistik und Theologie, ab dem zweiten Semester inskribierte Höftberger zusätzlich Fachtheologie. Dass sie eher im Bereich der Wissenschaft bleiben wollte, wusste sie schon einige Zeit vor Studiumsabschluss. Die Aufnahme in das Exzellenzprogramm der theologischen Fakultät im zweiten Studienabschnitt förderte ihr Interesse an Forschung.

In ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist Höftberger nicht nur der offene Zugang wichtig, sondern auch ein recht praktischer, den sie von ihrem Vater – einem Tischler – mitbekommen hat. „Ich gehe an wissenschaftliche Probleme oft wie bei einem Handwerk heran und frage mich, welches Werkzeug mir helfen würde“, erzählt die junge Forscherin. So hat sie in ihrer Dissertation das etablierte methodische Repertoire der systematischen Theologie – ihrer Fachdisziplin – um weniger übliche, vor allem kulturwissenschaftliche Zugänge erweitert und damit neue Perspektiven ermöglicht.
Das Spannende an der Theologie sei, dass das Fach für die Vielfalt an Identitäten und religiösen Überzeugungen sensibilisiere. Mit einer offenen Haltung könne Theologie einen wichtigen Beitrag zu positiven Deutungsmustern religiöser Pluralität leisten, ist Höftberger überzeugt: „Religion wird oft als spaltendes Element wahrgenommen. Das ist ein Bild von Religionen, das weitverbreitet ist. Es geht von einem Gottesbild aus, das sehr direkt in die Welt eingreift und damit Anspruch auf die absolute Wahrheit erhebt.“ Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil habe es durch solch einen Wahrheitsanspruch beispielweise keine von der katholischen Kirche anerkannte Religionsfreiheit gegeben, nennt die Theologin als Beispiel.

Mit dem Konzil änderte sich das: Es gilt die Freiheit des Gewissens, selbst seine Religion zu wählen. Wie viele Positionen die Kirche mit dem Konzil fundamental geändert habe, sei in der Gesellschaft kaum bekannt, sagt Höftberger. Sie sieht es auch als eine Aufgabe der Theologie, diese „Übersetzungsarbeit“ zu leisten.

Zur Person

Elisabeth Höftberger (31) hat an der Uni Salzburg Germanistik und Theologie studiert und ihr Doktoratsstudium mit der Dissertation „Religiöse Tradition in Bewegung“ sub auspiciis praesidentis abgeschlossen. Derzeit forscht sie zu Theologie in Transformationsprozessen. Die Mutter von zwei Kindern engagiert sich zudem im Pfarrgemeinderat Bad Ischl und für Scientists for Future Salzburg.

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