Marina Abramović: „Ich liebe Bügeln. Mit Hut!“

Bügeln mit Hut geht vielleicht nicht schneller – macht zumindest Abramović aber noch mehr Spaß.
Bügeln mit Hut geht vielleicht nicht schneller – macht zumindest Abramović aber noch mehr Spaß. Abramović
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Ausstellung in Wien. Der Performance-Star stellt immer wieder in der Galerie Krinzinger in Wien aus. Diesmal zeigt sie ihre papiernen „Energiekleider“, mit denen man wacher durch den Alltag kommen soll. Das erzählte sie der „Presse“.

The Artist Is Present“, hieß die Performance im New Yorker Museum of Modern Art, die Marina Abramović 2010 zur berühmtesten Künstlerin ihrer Generation machte. Jeder halbwegs Kulturinteressierte kennt die Fotos, auf denen die 1946 in Belgrad geborene Künstlerin in roter Robe starr auf einem Sessel sitzt und die sich abwechselnden Beisitzer ihr gegenüber stoisch fixiert. Drei Monate tat sie das, Tag für Tag. Tausende Menschen standen an, um diesen „Augenblick“ zu erleben, was sicher nicht unwesentlich zu dem „intensiven“ Gefühl beitrug, das viele beschrieben.

Seit damals ist Abramović ein Star. Sie hat erreicht, dass die konzeptuelle Performance-Kunst der Siebzigerjahre, aus der sie kommt, im Mainstream angekommen ist. Einen frühen Hort dieser Gattung stellten eine Handvoll Galeristinnen in Österreich bereit, darunter Grita Insam, Rosemarie Schwarzwälder und Ursula Krinzinger. Bei Letzterer, damals in Innsbruck beheimatet, hatte Abramović eine ihrer ersten Ausstellungen, erzählt sie. Bis heute ist sie ihr daher verbunden geblieben und stellt alle paar Jahre bei ihr in Wien aus. „Present“ war die Künstlerin bei der Eröffnung ihrer jüngsten Ausstellung hier am Freitag allerdings nicht, aufgrund einer Knieoperation. „Die Presse“ erreichte sie telefonisch in New York.

Die Presse: Guten Morgen nach New York. Ich war schon nervös, dass ich zu spät bin.

Marina Abramović: Künstler sind ja angeblich nie pünktlich. Ich schon. Ich mag Disziplin. Wie die Deutschen. Meine Zeit ist in diesem Sinn eine deutsche.

Da passt es gut, dass Sie in Essen in diesem Studienjahr die Pina-Bausch-Professur für Performance überhaben.

Ich glaube, ich habe die Studierenden mit Arbeit getötet, sie werden mich hassen. Wenn jemand mehr als 15 Minuten zu spät kam, stand er übrigens vor verschlossenen Türen. Unsere Abschlusspräsentation wird Ende Juni eine neuntägige Dauerperformance im Folkwang-Museum sein.

Was interessiert Sie am Unterrichten? Die meisten Ihrer Kollegen jammern darüber.

Ich liebe die verrückten Ideen! In diesem Fall habe ich mir unterschiedliche Leute verschiedener Generationen und Professionen ausgesucht: Opernsängerinnen, Theaterschauspieler, Pianisten, Theaterdirektoren . . . Ich habe sie dazu gebracht, ihre Sicherheit zu verlassen. Eine Museumsdirektorin etwa sagte, das Einzige, was sie immer sein wollte, war: nackt und ein Huhn. Also macht sie das jetzt, auf ihre ganz eigene Art.

Der Exzess in Nietzsches oder Nitschs Sinn liegt Ihnen weniger: Sie trinken nicht, rauchen nicht und machen täglich Yoga.

Ja, ich mag Beschränkungen. Etwa stundenlang auf einem Sessel sitzen.

Immer schon ging es Ihnen dabei um körperliche Präsenz, um eine Energie. Trotzdem haben Sie eine Performance ins Virtuelle verlagert. Man muss eine VR-Brille aufsetzen und begegnet Ihrem Avatar.

Ja, die Arbeit heißt „Das Leben“. Darin beschäftige ich mich mit Unsterblichkeit. Sie wird erst dann Energie bekommen, dann zum Leben erwachen, wenn ich tot bin.

In Wien zeigen Sie 2001 konzipierte „Energiekleider“, die Sie jetzt in einer Fotoserie das erste Mal öffentlich präsentieren. Ich liebe das Bild, auf dem Sie bügeln. Geht es mit Spitzhut denn schneller?

Ich liebe Bügeln! Und mit Hut besonders! Er funktioniert wie eine Antenne für die spirituelle Kontaktaufnahme. Die Kleidung, die Instrumente sind für den täglichen Gebrauch bestimmt. Sie sind aus Karton geformt und mit Seide überzogen. Es geht nur um die Form.

Welche Energie genau meinen Sie?

Ach, die ist überall. Im Kosmos etwa. Aber wenn Sie mir nicht glauben: Lesen Sie einmal ein Buch mit einer Pyramide auf dem Kopf. Der Kopf ist dann viel klarer.

Klingt für mich esoterisch.

Worum es mir geht, auch in meiner Arbeit mit Mineralien: Altes Wissen über Energie ins Heute zu übertragen. Probieren Sie es doch aus: Legen Sie einen Apfel unter eine Pyramide, die kann auch aus Papier sein – er wird länger frisch bleiben. Das wäre Ihre Abramović-Aufgabe für heute.

Ihre feministische Seite ist mir, denke ich, näher. Reden wir doch über Ihre große Ausstellung in London im Herbst.

Stellen Sie sich vor: Noch nie zuvor hat in der Royal Academy eine Künstlerin den großen Raum bespielt! Ich überlege daher, dort eine Tea-Party zu organisieren, zu der ich Frauen aus Politik, Wirtschaft, Kunst etc. einlade. Jedenfalls ist es keine Retrospektive, sondern eine thematische Schau zu Aspekten meines Werks, wie Partizipation der Öffentlichkeit, Balkan, Barock oder Wahrnehmung der Natur.

Kommt die Ausstellung auch nach Wien?

Ja, sie geht auf große Tour: nach Amsterdam, Zürich, dann ins BA Kunstforum Wien, dann nach Bilbao und Tel Aviv.

Gratulation und gute Besserung dem Knie.

Danke. Ich kann wegen meiner Knieoperation nicht fliegen und werde mit dem Schiff von New York nach London fahren müssen. Eine Woche lang! Nach Wien geht das schwieriger. Aber hoffentlich bald wieder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2023)

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