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Erdoğans krasse Konstantinopel-Party

Philippe de Mazerolles/gemeinfrei
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Der türkische Präsident fühlte sich angesichts seines Siegs in der Stichwahl am Pfingstwochenende an die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 erinnert. Das jährte sich zudem am Montag. Wow! Damals floss halt Blut, heute sind's Raki und Freudentränen.

An diesem wunderschönen Wochenende war also Pfingsten. Wir Christen gedachten des Herabkommens des Heiligen Geistes über die Apostel, stürmten die Heurigen, Biergärten und Cafés und warfen in unsren Gärten (sofern vorhanden) Steaks und Veganburger auf den Grill, während in der Türkei Recep Tayyip Erdoğan die Stichwahl zur Präsidentschaft klar gewann und sich darüber dermaßen freute, dass er seinen Sieg mit der Erstürmung des christlichen Konstantinopels durch die Osmanen vor 570 Jahren gleichsetzte. Das war übrigens am 29. Mai 1453, jährte sich also tatsächlich gestern am Pfingstmontag.

Tja, der Heilige Geist weht, wo und wie er will.

Hat man halt damals nach zweimonatiger blutiger Schlacht noch a bisserl gemessert, geköpft, gepfählt, gebrandschatzt, versklavt und geschändet, der letzte Kaiser von Byzanz, Konstantin XI. Dragases, kam ums Leben, aber es war halt voll krasse Party, der Osmanen-Babo Mehmed II. ließ die Puppen tanzen und solche Sachen waren damals durchaus üblich. In Europa gab's ähnliche türkische Partys etwa mit den Griechen, Bulgaren, Serben, Albanern, Ungarn, äußerst schön waren dabei die Feuerwerke 1529 und 1683 bei Wien, 1664 bei Mogersdorf und natürlich jene von 1565 auf Malta.

Fausto Zenaro/gemeinfrei

Viele im Westen freuten sich jetzt also ganz doll mit Erdoğan und gratulierten ihm, etwa EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Olaf Scholz in Berlin und unser Bundesvanderbellen.

Im Überschwang richtete der nette Onkel dafür allerhand Spitzen gegen den Westen und die dortigen Medien, will mit Russland wirtschaftlich mehr machen und hat arge Wickel mit dem Europarat. Er ist mächtiger denn je, die Türkei rückt weiter von Europa weg und ihr heutiger Babo hat den Leuten dort ohnehin oft ausgerichtet, was er so von ihnen hält. Nun ja: Die Party geht weiter, wir werden noch viel Spaß haben. (wg)

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

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