Gastkommentar

Der Kronprinz kommt zum Zug

Der Lehrstuhl für Geschichte der Medizin wird neu besetzt. Bei der Bestellung wiederholt sich die Geschichte.

Wenngleich nach Herodot sich die Geschichte nie genau wiederholt – man steigt nie in denselben Fluss – wiederholt sie sich bisweilen doch, nach Karl Marx als Farce. Dieser Tage hat eine Kommission der Medizinischen Universität den Dreiervorschlag zur Besetzung des Lehrstuhls für Geschichte der Medizin beschlossen. Wie hier schon früher aufgezeigt, schwebt die Untat einer Hausberufung im Raum. Hausberufung – die Ernennung einer Person aus derselben Fakultät zur leitenden Person eines Instituts oder einer Klinik – war immer schon ein die wissenschaftliche Vielfalt bedrohendes Vorgehen, und verpönt. Ein schon vor drei Jahren auffallend freigiebig mit dem Lehrstuhl – befristet auf drei Jahre – Beschenkter erfreut sich nun als Kronprinz des Wohlwollens einer lokal paternalistischen, offenbar einflussreichen Gruppierung.

Der Autor

Dr. Johannes Miholic (* 1948) ist niedergelassener Facharzt für Chirurgie in Wien.

Die Reihung des Kronprinzen an erster Stelle des Vorschlags erinnert an die Unzeiten klandestiner Berufungen, die die Geschichte der Nachkriegsfakultät durchzogen haben. Im Herbst 1952 beschloss die Medizinischen Fakultät in Wien für den frei werdenden Lehrstuhl der II. Chirurgischen Universitätsklinik Rudolf Nissen, eine internationale Berühmtheit, als Einzigen dem Ministerium zur Besetzung vorzuschlagen. Nissen war von allen in Betracht genommenen Kandidaten – zeittypisch nur Männer – die erste Wahl. Der scheidende Klinikvorstand wollte jedoch seinen Lieblingsschüler auf den Chefposten hieven, obwohl der gerade in Theorie und chirurgischer Praxis der bescheidenste der Bewerber war. Diese Einflussnahme hatte Erfolg, sehr zum Nachteil der Klinik. 70 Jahre später zeigt sich, dass derlei immer noch geschehen kann.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.