Deutschland

Immobilien-Konzerne geraten unter Druck

Wird der deutsche Immobilienmarkt zur Baustelle? Derzeit sieht es in der Branche jedenfalls nicht so rosig aus.
Wird der deutsche Immobilienmarkt zur Baustelle? Derzeit sieht es in der Branche jedenfalls nicht so rosig aus. IMAGO/photothek
  • Drucken

Der Verschuldungsgrad steigt und am Markt herrscht Eiszeit. Die Unternehmen brauchen aber Geld.

Berlin/Wien. Den als sicher geltenden deutschen Immobilienkonzernen weht dieser Tage ein rauer Wind entgegen: Gefallene Aktienkurse, explodierende Baukosten, steigende Zinsen und hohe Inflationsraten sowie anstehende milliardenschwere Sanierungen für Klimaschutz-Auflagen setzen den Unternehmen zu.

Der deutsche Branchenprimus Vonovia musste kürzlich etwa sein Immobilienvermögen um über drei Mrd. Euro abwerten. Der Nummer zwei am Markt, LEG Immobilien, droht ebenfalls eine Abwertung des Bestands und auch beim Konkurrenten Aroundtown sank der Wert des Immobilienvermögens. Damit könnte eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden. Sollten die Konzerne ihre Immobilienwerte angesichts sinkender Preise in vielen Metropolen weiter abwerten müssen, könnte ein weiterer Anstieg des Schuldengrads (LTV) – die zentrale Kennziffer erfasst die Nettoverschuldung im Verhältnis zum Immobilienvermögen – ins Haus stehen.

Damit bestünde die Gefahr, dass sie die Bedingungen ihrer milliardenschweren Anleihen verfehlen und diese fällig gestellt werden müssen. „Die Unternehmen suchen dringend nach Liquidität“, sagt Daniel Zimmermann, Experte für große Immobilienkonzerne beim Deutschen Mieterbund. Bei Vonovia ist der Verschuldungsgrad (LTV) zuletzt auf 45,4 Prozent geklettert und liegt damit über der eigentlich angestrebten Spanne von 40 bis 45 Prozent. Der Konkurrent LEG wies per Ende März einen LTV von 43,5 Prozent aus und liegt damit ebenfalls über der intern angestrebten Marke von 43 Prozent. Bei der seit Langem kriselnden Adler Group lag der LTV zum Ende des ersten Quartals sogar bei 63,3 Prozent.

Aktienkurse weit unten

Die Entwicklung ruft auch die Investoren auf den Plan. Denn viele Konzerne haben in der Krise die Dividenden gestrichen, beim Branchenprimus Vonovia wurde die Ausschüttung gegenüber den Vorjahren empfindlich gekürzt. Vonovia drohe eine Abwärtsspirale, warnte Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment. „Im derzeitigen Zustand wirkt Vonovia nicht wie Europas größter Wohnungskonzern, sondern wie ein Hochhaus auf wackligem Fundament“, lautet seine Analyse.

Letztlich könnte bei Vonovia eine Kapitalerhöhung notwendig sein, die Gift für den Aktienkurs ist. Dieser bereitet den Investoren ohnehin wenig Freude: Kosteten Vonovia-Aktien im vergangenen Mai noch rund 36 Euro, so sind es jetzt knapp 18 Euro. Bei der Konkurrenz sieht es nicht besser aus.

Ein Grund für die Unsicherheiten rund um die Unternehmen ist auch die Frage nach den wirklichen Preisen ihrer Immobilien. Unklar ist, ob diese den Werten in den Büchern entsprechen und ob sich die Preise am Markt wirklich erzielen lassen. „Ein Ausblick auf die Immobilienbewertung im ersten Halbjahr (fällt uns) deutlich schwerer als sonst“, räumte kürzlich LEG-Chef Lackum ein.

„Markt im Wartemodus“

In den vergangenen Jahren war die Branche von milliardenschweren Übernahmen geprägt, inzwischen herrscht am Markt Eiszeit. Große Transaktionen sind eine Seltenheit geworden und gibt es Verkäufe, gehen die Immobilien mit Abschlägen an neue Besitzer. Käufer warten derzeit auf einen weiteren Verfall der Preise. „Der Markt ist im Wartemodus“, sagte Adler-Chef Thierry Beaudemoulin, dessen Konzern sich von zahlreichen Immobilien trennen will.

Für die Mieter könnte die Suche der Unternehmen nach flüssigen Mitteln jedoch nichts Gutes bedeuten. Seit einem Jahr stehe etwa bei Analysten-Konferenzen von Vonovia im Fokus, welche Möglichkeiten es für Mieterhöhungen gebe, berichtete Mieterbund-Vertreter Zimmermann. „Wir müssen damit rechnen, dass die Mieterhöhungen bei den großen Konzernen höher ausfallen als in den letzten Jahren.“ Instandhaltungsarbeiten könnten ebenfalls heruntergefahren werden, um Geld zu sparen.

Mittelfristig könnte sich der Wind aber drehen, erwartet Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Denn er sieht die Phase rasch steigender Zinsen, eine der wesentlichen Faktoren für die Probleme der Immobilienkonzerne, vor einem Ende. „Die Zinsfront wird sich zugunsten der Immobilienkonzerne drehen“, sagt er. Auch die Mieten würden künftig – getrieben von der Inflation – weiter ansteigen. Das nutze den Immobilienunternehmen. Seine Analyse lautet daher: „Man kann ein wenig von Entwarnung sprechen.“ (APA/Reuters)

Auf einen Blick

Die deutschen Immobilienkonzerne galten stets als unverwüstlich. Doch mit den steigenden Zinsen macht sich Unmut in der Branche breit. Viele Käufer warten derzeit darauf, dass die Liegenschaften noch billiger werden. Die Mieter wiederum fürchten Mieterhöhungen. Die Aktienkurse der Konzerne befinden sich derzeit im Keller.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.