Edelmetall

Russland exportiert weiter Gold - aber statt im Westen landet es nun in drei neuen Märkten

Körnchen mit 99,99 Prozent reinem Gold werden herausgeschält, bevor sie im sibirischen Werk Krastsvetmet, einem der weltweit größten Produzenten von Edelmetallen, verpackt werden.
Körnchen mit 99,99 Prozent reinem Gold werden herausgeschält, bevor sie im sibirischen Werk Krastsvetmet, einem der weltweit größten Produzenten von Edelmetallen, verpackt werden.
  • Drucken

Wegen der Sanktionen des Westens kann Russland kein Gold mehr nach London exportieren. Doch wie schon bei Erdöl wurden drei andere Abnehmerländer gefunden. Nur eines davon liegt in Ostasien. Und ein Experte spricht von einer Gefahr.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die darauf folgenden westlichen Sanktionen haben wirtschaftlich vieles auf den Kopf gestellt, was zuvor glatt gelaufen war und gleichsam als unerschütterlich gegolten hatte. Nicht zuletzt auf dem Gebiet der Rohstoffe, die ja das Rückgrat der russischen Wirtschaft bilden. Doch während die Umlenkungen der russischen Exporte von Öl und teils auch von Gas weg von Europa Richtung Asien inzwischen bekannt und deutlich dokumentiert sind, kommt etwa in den Export russischen Goldes erst jetzt allmählich Licht.

So hat dieser Tage die Nachrichtenagentur Reuters aus den russischen Zollunterlagen eruiert, wie sich das Edelmetall aus russischer Produktion den Weg in die Welt bahnt, nachdem die westlichen Sanktionen die traditionellen Exportrouten abgeschnitten haben.

Drei Länder stehen für 99,8 Prozent der russischen Gold-Exporte

Aus den Aufzeichnungen, die Einzelheiten zu fast tausend Goldsendungen im Jahr seit Beginn des Ukraine-Kriegs enthalten, geht hervor, dass sich die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zur wichtigsten Handelsdrehscheibe entwickelt haben. Konkret hat der Golfstaat 75,7 Tonnen russisches Gold im Wert von 4,3 Milliarden Dollar importiert. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren es nur 1,3 Tonnen gewesen.

Hinter den VAE waren China und die Türkei die nächstgrößeren Bestimmungsländer, die zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 3. März 2023 jeweils etwa 20 Tonnen importierten. Zusammen mit den VAE entfielen auf diese drei Länder ganze 99,8 Prozent der russischen Goldexporte für diesen Zeitraum.

London machte dicht

In den Tagen nach Ausbruch des Ukraine-Konflikts hatten viele multinationale Banken, Logistikunternehmen und Edelmetallraffinerien den Handel mit russischem Gold eingestellt, nachdem es zuvor in der Regel nach London, einer Drehscheibe für den Goldhandel und die Lagerung, geliefert worden war.

Die London Bullion Market Association verbot russische Barren, die ab dem 7. März 2022 hergestellt worden waren, und mit Ende August haben dann Großbritannien, die Europäische Union, die Schweiz, die Vereinigten Staaten, Kanada und Japan die Einfuhr von russischem Gold verboten.

Die Exportaufzeichnungen zeigen aber, dass die russischen Goldproduzenten schnell neue Märkte in Ländern fanden, die keine Sanktionen gegen Moskau verhängt hatten – eben die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und China.

Die Gefahr der Umschmelzung

Laut Louis Marechal, Goldbeschaffungsexperte bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), besteht die Gefahr, dass russisches Gold eingeschmolzen und umgeschmolzen werde und dann unter Verschleierung seiner Herkunft wieder auf die US-amerikanischen und europäischen Märkte gelange.

„Wenn das russische Gold von einer lokalen Raffinerie umgeschmolzen, von einer lokalen Bank oder einem lokalen Händler beschafft und dann auf dem Markt verkauft wird, besteht ein Risiko“, sagte er. „Aus diesem Grund ist die Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung für Endkäufer, die sicherstellen wollen, dass sie die Sanktionsregelungen einhalten, von entscheidender Bedeutung.“

Der Goldbarrenausschuss der VAE-Regierung erklärte, dass der Staat mit klaren und robusten Verfahren gegen illegale Waren, Geldwäsche und sanktionierte Einrichtungen vorgeht. „Die VAE werden weiterhin offen und ehrlich mit ihren internationalen Partnern handeln und dabei alle geltenden internationalen Normen der Vereinten Nationen einhalten“, hieß es.

Warnung an Importeure

Um Russland weiter zu isolieren, hat Washington Ländern wie den VAE und der Türkei gedroht, dass sie den Zugang zu den G7-Märkten verlieren könnten, wenn sie Geschäfte mit Unternehmen machen, die von den US-Sanktionen betroffen sind.

Die von Reuters geprüften Daten deuten aber nicht darauf hin, dass diese Länder gegen die US-Sanktionen verstoßen haben. Das US-Finanzministerium, dessen Office of Foreign Assets Control die Sanktionen durchsetzt, reagierte nicht auf Bitten um eine Stellungnahme.

Die Lieferungen in den Zolldaten, die Reuters von einem kommerziellen Anbieter zur Verfügung gestellt wurden, zeigen Exporte von 116,3 Tonnen zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 3. März dieses Jahres. Demgegenüber schätzt das Beratungsunternehmen Metals Focus, dass Russland im Jahr 2022 325 Tonnen Gold produziert hat.

Uneindeutige Daten

Der Rest des in Russland geschürften Goldes blieb wahrscheinlich entweder im Land oder wurde im Rahmen von Transaktionen exportiert, die nicht in den Aufzeichnungen enthalten sind. Reuters konnte nicht feststellen, welcher Anteil der gesamten russischen Goldexporte von den Daten erfasst wurde.

Die meisten der russischen Goldlieferungen nach China gingen jedenfalls nach Hongkong. Das chinesische Außenministerium erklärte, dass die Zusammenarbeit des Landes mit Russland „frei von Störungen oder Zwang durch Dritte“ sein soll.

Das türkische Finanzministerium reagierte nicht auf Bitten um eine Stellungnahme. Auch die russische Regierung, die Zollbehörde und die Zentralbank antworteten nicht auf Anfragen darum.

London bleibt gelassen

Die Verlagerung der russischen Exporte weg von London wird ebendort nicht als großer Schlag angesehen, da das Drehkreuz nicht von Russland abhängig ist.

Die Vereinigten Arabischen Emirate ihrerseits haben seit langem eine florierende Goldindustrie und sind ein wichtiger Exporteur von Goldbarren und Schmuck. Handelsdaten zeigen, dass sie zwischen 2016 und 2021 im Durchschnitt etwa 750 Tonnen reines Gold pro Jahr importieren – was bedeutet, dass die in den russischen Aufzeichnungen aufgeführten Sendungen nur etwa zehn Prozent ihrer Einfuhren ausmachen würden.

Der Manager eines Unternehmens, das große Mengen russischen Goldes in die Vereinigten Arabischen Emirate verschifft, erklärte gegenüber Reuters, dass russische Firmen dort Goldbarren mit einem Abschlag von etwa einem Prozent auf die weltweiten Referenzpreise verkauft hätten, was einen Anreiz für den Handel darstelle.

Eingeschmolzen und neu gegossen

Der Manager, der anonym bleiben möchte, sagte, das meiste Gold, das sein Unternehmen in die VAE lieferte, sei für Raffinerien bestimmt gewesen, wo es eingeschmolzen und neu gegossen werden sollte.

Reuters bat vier der größten russischen Goldminenbetreiber um eine Stellungnahme. Nordgold und Norilsk Nickel lehnten eine Stellungnahme ab. Polyus und Polymetal haben nicht geantwortet.

In vielen Fällen zeigen die Zollaufzeichnungen nur die an den Transaktionen beteiligten Versender oder Händler, nicht aber den Endabnehmer, bei dem es sich um eine Raffinerie, einen Juwelier oder einen Investor handeln könnte.

Töchter europäischer Konzerne

Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass Temis Luxury Middle East, eine Tochtergesellschaft des französischen Logistikunternehmens Temis Luxury in Dubai, am meisten russisches Gold in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert hat. Von April 2022 bis zum 3. März wurden 15,6 Tonnen im Wert von 863 Millionen US-Dollar verschifft.

Broca Houy, Leiter der Compliance-Abteilung der Temis Luxury Group, sagte, das Unternehmen halte sich „vollständig an die Gesetze und Vorschriften der Vereinigten Arabischen Emirate für Speditionsgeschäfte“.

Er sagte, Temis kaufe kein russisches Gold und akzeptiere nur Transportaufträge von Unternehmen, die nicht den US-Sanktionen unterliegen.

Das französische Finanzministerium erklärte auf Nachfrage, dass es sich nicht zu Einzelfällen äußern wolle, sich aber sehr für die Anwendung von Sanktionen einsetze.

Europäische Sanktionen gelten in der Regel nicht für ausländische Tochtergesellschaften, so dass europäische Firmen, deren Tochtergesellschaften an Lieferungen von russischem Gold in die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei oder Hongkong beteiligt waren, nicht unbedingt gegen Gesetze verstoßen hätten, sagte Tan Albayrak, ein Sanktionsanwalt bei Reed Smith in London.

Emirates Group

Der zweitgrößte Händler von russischem Gold in den Vereinigten Arabischen Emiraten, der an Lieferungen von 14,6 Tonnen im Wert von 820 Millionen Dollar beteiligt war, war das Logistikunternehmen Transguard, das zur Emirates Group gehört – jenem Unternehmen, das Fluggesellschaften und Hotels für den Wohlstandsfonds des Golfstaates betreibt.

Emirates gab an, kein russisches Gold gekauft, in voller Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen gehandelt und den Transport nun eingestellt zu haben. „Aufgrund der jüngsten regulatorischen Entwicklungen erbringt Transguard keine Logistikdienstleistungen mehr für Goldtransporte nach oder aus Russland“, hieß es.

In Hongkong wurden die meisten russischen Goldtransporte von Vpower Finance Security Hong Kong, einem chinesischen Logistikunternehmen, abgewickelt. Den Aufzeichnungen zufolge war das Unternehmen zwischen Mai 2022 und 3. März an der Einfuhr von 20,5 Tonnen Gold im Wert von 1,2 Milliarden Dollar beteiligt. Vpower Finance Security reagierte nicht auf Bitten um eine Stellungnahme.

(Reuters/est)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Das Wetter ist trüb - die Aussichten für den russischen Kapitalmarkt nicht unbedingt.
Russland

Kommt es zu diesem Szenario, steigen die russischen Aktien noch um einige Hundert Prozent

Der Vizechef der russischen Zentralbank prophezeit dem dortigen Aktienmarkt einen sogenannten „iranischen Effekt“. Und die jüngste Entwicklung könnte tatsächlich schon als Vorbote dafür gedeutet werden. Was geht da gerade Seltsames vor sich? Und was wird wahrscheinlich passieren?
Sibirien Gold schwer sonst
International

Sibirien: "Gold ist schwer, sonst nichts"

Lange hat der Goldsektor in Russland ein Schattendasein hinter der dominanten Öl- und Gasindustrie gefristet. Nun aber entwickelt man Ambitionen. Ein Besuch im sibirischen Männerdorf und den Goldminen von Jeruda.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.