Bodenreport

Österreich, Land der verbauten Äcker

++ THEMENBILD ++ KLIMA-GLOSSAR: BODENVERSIEGELUNG
++ THEMENBILD ++ KLIMA-GLOSSAR: BODENVERSIEGELUNGAPA/HELMUT FOHRINGER
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Seit 2000 wurde in Österreich dreimal die Fläche Wiens verbaut. Zwar verlangsamte sich der Flächenverbrauch, er wächst aber immer noch dreimal so schnell wie die Bevölkerung, heißt es im neuen Bodenreport des WWF.

Da können noch so oft Berge und Äcker in der Bundeshymne besungen werden: Den vollen Wert seines Bodens hat Österreich offenbar noch nicht erkannt. Dieser Ansicht ist zumindest Umweltschutzorganisation WWF: „Österreich geht fahrlässig und verschwenderisch mit wertvollen Böden um“, hieß es am Dienstag bei der Präsentation des neuen „WWF-Bodenreports“.

Demnach wurden im Schnitt der letzten Jahre (2019 bis 2021) 11,3 Hektar pro Tag verbaut. Das ist zwar etwa um die Hälfte weniger als noch vor zehn Jahren, sei aber immer noch auf einem viel zu hohen Niveau, um nachhaltig verträglich zu sein. Und es übersteige das Nachhaltigkeitsziel, das sich der Bund im Jahr 2002 für 2030 gesteckt hat, um das Vierfache, sagte Simon Pories, WWF-Bodenschutzexperte.

„Die Verbauung wertvoller Grünräume befeuert die Klimakrise und das Artensterben. Ein Weiter wie bisher wäre fatal“, sagte dazu Franz Essl, Biodiversitätsforscher und Wissenschafter des Jahres 2022, am Dienstag.

Seit 2001 hat Österreich dem Bodenreport zufolge, der sich auf Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) und der Statistik Austria stützt, rund 1300 Quadratkilometer verbraucht - umgerechnet etwa die dreifache Fläche Wiens. Das ist ein Zuwachs von 27,9 Prozent an beanspruchter Fläche, dreimal so viel, wie die Bevölkerung in derselben Zeit wuchs (10,0 Prozent).

Verbraucht ist nicht versiegelt

Verbraucht ist allerdings nicht gleich versiegelt: Das Umweltbundesamt definiert Bodenverbrauch als den „Verlust biologisch produktiven Bodens“, einerseits durch Verbauung und Versiegelung, aber auch indem Naturflächen anderweitig intensiv genutzt werden, etwa für Deponien, Abbauflächen oder Betriebsanlagen. Wie die Zahlen des UBA zeigen, hat sich der Flächenverbrauch insgesamt in Österreich seit der Jahrtausendwende verlangsamt, die Bodenversiegelung bleibt jedoch seit Jahren auf einem gleich hohen Niveau.

Besonders viel Boden, und zwar 3,1 Hektar, wurde in den letzten drei Jahren in der Steiermark verbraucht. Dahinter reihen sich Oberösterreich und Niederösterreich mit je 2,3 beziehungsweise 2,1 Hektar pro Tag ein.

Aktuell sind in Österreich rund als 5.800 Quadratkilometer verbaut, das entspricht fast der Hälfte der Landesfläche von Oberösterreich, erklärte der Experte. Doch auch im restlichen Teil Österreichs kann sich die Natur nicht uneingeschränkt entfalten. Nur rund sieben Prozent der österreichischen Staatsfläche sind derzeit noch als „weitgehend
naturbelassen“ einzustufen, und werden also nicht durch
Großinfrastruktur oder Straßen zerschnitten.

Den größten Anteil bei den versiegelten Flächen machen mit 2657 km² Bauflächen aus. Dicht dahinter liegen Verkehrsflächen mit 2083 km². Betriebsflächen kommen auf 671 km², Erholungs- und abbauflächen (wie Golfplätze, Freibäder oder Flächen zur Rohstoffgewinnung) auf 393 km².

Negativbeispiel Wiener Neustadt

Heftig kritisiert wurden bei der Pressekonferenz neue, große Straßenbauprojekte, die im Anschluss meist eine weitere Versiegelung durch Einkaufs- und Gewerbeparks nach sich ziehen würden - und somit gleichzeitig Ortskerne vereinsamen lassen. „Hochrangige Straßenprojekte gehen an Notwendigkeiten vorbei, sind Fehlinvestitionen und heute nicht mehr zeitgemäß“, sagte Essl. Als Negativbeispiel nannte der Wissenschafter die geplante Ostumfahrung um Wiener Neustadt. Die Stadt sei ohnehin ein „Beispiel eines ungezügelten Bodenverbrauchs“. 

Treiber des voranschreitenden Bodenverbrauchs sind dem WWF zufolge politische Versäumnisse und die fehlende Verbindlichkeit vieler Vorgaben. So gebe es zwar eine Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes oder ein Raumordnungskonzept, die dem Bodenverbrauch entgegenwirken sollen, diese seien aber nicht gesetzlich bindend. „Die Politik hat beim Bodenschutz versagt“, sagte WWF-Programmleiterin Hanna Simons.

So ist zwar bereits eine neue "Bodenstrategie für Österreich“ von der Regierung ausgearbeitet worden, ein Beschluss steht aber noch aus. Große Hoffnungen macht man sich beim WWF ohnehin nicht: „Wir befürchten, dass diese alles andere als wirksam sein wird“, sagte Simons.

90 Prozent weniger Verbrauch gefordert

Der WWF forderte ein verbindliches Bodenschutzgesetz, das den Flächenverbrauch bis 2030 um 90 Prozent reduziere. Es müsse bundesweit gelten und dürfe nicht durch Sonderbewilligungen und Ausnahmen aufgeweicht werden, sagte Simons. Zudem sollte man Subventionen abbauen, die Verbauung begünstigen (etwa durch Ökologisierung der Wohnbauförderung), und Flächeninanspruchnahme verteuern, zum Beispiel mit einer "Versiegelungsabgabe".

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