Randerscheinung

Bin auf der Gartenhütte

Carolina Frank
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Das verlängerte Wochenende ist dann doch noch schön geworden.

Vor der Gärtnerei steht ein Schild: „Bin im Glashaus.“ Das wäre keine blöde Sache, sich öfter zu überlegen, wann man selber im Glashaus sitzt, während man anderen gute Ratschläge gibt, denk’ ich mir. Das verlängerte Wochenende ist dann doch noch schön geworden. Dabei wollte der Jüngste wieder nicht mitfahren in den Westen, sondern lieber bei seiner Großmutter bleiben. Und seinen Freunden.

Die Betreuungslücke zwischen unserer Abfahrt und der Ankunft seiner Großmutter kommentiert er mit: „Drei Stunden Freiheit.“ Er hat es momentan nicht leicht mit uns. Und mit sich auch nicht. Lustig, dass Kinder nie auf die Idee kommen, Eltern könnten sich ohne sie auch frei fühlen. Vielleicht ist es auch besser so.

Nach der Rückkehr entdecke ich unter dem Unkraut ein nicht gefundenes Osternest. Die Schokoeier sind schon etwas mitgenommen vom Regen der letzten Wochen. Warum der Hund, der sonst alles frisst, was auch nur im entferntesten essbar ist, sie übersehen hat, gehört zu den vielen Hundemysterien. Der Rosenstrauch ist so stark gewachsen, dass es schwierig ist, ihn zurückzuschneiden, ohne sich wehzutun. Das erste Mal kann ich mir vorstellen, wie die unglücklichen Freier Dornröschens ums Leben gekommen sind. Kein schöner Tod in so einer Dornenhecke.

Erst als ich oben bin, erinnere ich mich, dass es viel leichter ist, zum Baumschneiden auf das Dach der Gartenhütte zu steigen, als danach wieder herunterzukommen. Die zu kurze Leiter schaut von hier oben plötzlich noch kürzer aus. Ich klettere schließlich über den Baum nach unten. Auf das Dach eines Glashauses darf man, glaube ich, gar nicht steigen. Das nächste Mal werde ich ein Schild aufstellen: „Bin auf der Gartenhütte.“ Nur falls mich jemand retten muss.

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("Die Presse Schaufenster" vom 26.05.23)

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