Schief gestellt

Lueger-Denkmal wird gekippt

RENDERING: WIENS LUEGER-DENKMAL GEKIPPT
RENDERING: WIENS LUEGER-DENKMAL GEKIPPT(c) APA/Klemens Wihlidal/Andreas Pra (Klemens Wihlidal/Andreas Praefck)
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Klemens Wihlidals Entwurf für eine künstlerische Umgestaltung hat die Jury überzeugt: Das umstrittene Denkmal soll um 3,5 Grad nach rechts geneigt werden. Der Entwurf ist mehr als zehn Jahre alt.

Das Lueger-Denkmal wird umgestaltet. Konkret: Es wird gekippt oder schief gestellt. Am Mittwochvormittag wurde der “Siegerentwurf des Wettbewerbs zur permanenten künstlerischen Kontextualisierung des Lueger-Denkmals" präsentiert, und Klemens Wihlidals Entwurf hat die Jury überzeugt.

Das insgesamt 20 Meter hohe Denkmal mit einer vier Meter hohen Bronzefigur Luegers am Stubentor wurde 1926 errichtet und sorgt seit Jahren für Debatten. Immer wieder wurde von Kritikern eine Umgestaltung oder gar Entfernung gefordert. Seit dem Vorjahr ist das umstrittene Bauwerk mit dem Wort "Schande" besprüht.

Bei dem Denkmal stellte sich jedenfalls die Frage, "wie eine Stadt mit problematischen Orten" umgeht, sagte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bei der Präsentation. Nach einem langen Prozess, an dem die unterschiedlichsten Stakeholder teilnahmen, habe man sich letztlich für die Kontextualisierung entschieden. "Ich möchte nicht, dass aufgehört wird, über Lueger und seine Folgen, den Populismus und den politischen Antisemitismus nachzudenken." Nur so könnten auch künftige Generationen sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen.

"Über Leerstellen kann man nicht sprechen"

Immer wieder war über eine Entfernung des Denkmals debattiert worden. Kaup-Hasler erteilte dieser eine Absage: "Über Leerstellen kann man nicht sprechen", sagte sie.

Im Herbst des Vorjahres wurde schließlich der Wettbewerb gestartet, zu dem 13 Künstlerinnen und Künstler geladen wurden. Die Jury, der Eva-Maria Stadler von der Universität für angewandte Kunst Wien vorstand, entschied sich schließlich für Wihlidal. "Er verwandelt das Denkmal in eine Störung im öffentlichen Raum", begründete sie die Entscheidung, die sie als "Fest der Demokratie" bezeichnete. Um 3,5 Grad geneigt, verliere das Denkmal "optisch die Balance". Letztlich werde durch die Schieflage "der Anspruch auf Monumentalität gebrochen", wobei sich diese Intervention auch ohne Vorinformation erschließe. Gleichzeitig soll aber die derzeit vor Ort befindliche Informationstafel überarbeitet und erweitert werden. Eine Umsetzung ist für 2024 geplant.

Warum 3,5 Grad? „Für mich erster Moment der Irritation"

Neu ist Wihlidals Vorhaben jedenfalls nicht, ging dieses doch bereits 2010 aus einem von der Angewandten initiierten "Open Call" für eine Umgestaltung des Denkmals als Sieger hervor. Damals wäre eine Umsetzung aber noch nicht möglich gewesen, gab Kaup-Hasler angesichts der seitdem geführten Diskussion zu bedenken. Es wäre eine "autokratische Geste" seitens der Stadt gewesen. Der Wiener Künstler (Jahrgang 1982) selbst zeigte sich ob der Auswahl seines Entwurfs etwas überrascht. "Der Juryentscheid ist noch sehr frisch und einigermaßen unerwartet." Die Schieflage von 3,5 Grad habe er deshalb gewählt, "weil es für mich der erste Moment war, an dem ich eine Irritation erfahre". Er sei jedenfalls der Meinung, dass das Denkmal "als Originalquelle und Ort der Begegnung mit dem Thema" bestehen bleiben soll.

Dass mit der nun erfolgten Entscheidung alle Diskussionen vorbei sind, glaubt Kaup-Hasler keineswegs. "Wenn Kunst zu einem hundertprozentigen Konsens aller führt, ist sie entweder keine Kunst oder nicht gut." Es werde immer Befürworter und Gegner geben. Viel wichtiger sei hingegen, die Diskussion am Laufen zu halten. "Ich bestehe darauf, dass wir auch Denkräume öffnen und Horizonte des Denkens erweitern und zu einer nicht endenwollenden Diskussion beitragen." Sie möchte jedenfalls "keine aseptische Stadt, die geschichtsbereinigt oder clean ist".

Sockel muss verstärkt werden

In einem nächsten Schritt geht es nun um die Detailplanungen, müsste doch der Sockel verstärkt werden, um die Schräglage möglich zu machen, wie Martina Taig von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien erklärte. Dabei werde auch das Bundesdenkmalamt hinzugezogen. Insgesamt sind für die Umsetzung 500.000 Euro veranschlagt. Die derzeit vor Ort befindliche Installation "Lueger temporär" von Nicole Six und Paul Petritsch, die mittels einer 39 Meter langen, fünf Meter breiten und elf Meter hohen Holzkonstruktion im Stadtbild gefundene Artefakte der Lueger-Würdigung versammelt, soll noch bis Herbst zu sehen sein - vorausgesetzt, man benötige den Platz nicht schon früher für den Abbau des Denkmals, das komplett gereinigt werden soll.

RENDERING: WIENS LUEGER-DENKMAL GEKIPPT
RENDERING: WIENS LUEGER-DENKMAL GEKIPPT(c) APA/Klemens Wihlidal/Andreas Praefcke (Klemens Wihlidal/Andreas Praefcke)

Was künftige Beschmierungen des Denkmals betrifft, so zeigte sich zumindest Wihlidal pragmatisch. "Es wird nun gereinigt und dann wieder neu aufgebaut. Danach bleibt die Diskussion, wie es weitergeht, erhalten. Es wird wieder zur Verfügung stehen." Die Stadt selbst werde mit solchen Aktionen "gelassen umgehen", so Kaup-Hasler, "so wie wir es auch in den letzten Jahren gemacht haben". Man werde sehen, wie die Öffentlichkeit mit dem Denkmal umgeht, wenn es in neuer Form zu sehen ist. Die weiteren Wettbewerbsentwürfe werden von 19. bis 23. Juni in der Wiener Planungswerkstatt ausgestellt.

(her)

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