Satireportal

FPÖ will "ganze Branche einschüchtern", sagt "Tagespresse"-Chef Jergitsch

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BUCH WIEN 2017 Wien Messe 09 11 2017 Fritz JERGITSCH Die Tagespresse *** Book Vienna 2017 Vien(c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Das Satireportal hatte sich in Briefen an Gastronomen als FPÖ ausgegeben, nun klagt die Partei. Künstler erklären sich solidarisch mit der "Tagespresse", darunter auch Florian Scheuba, Josef Hader und Ursula Strauss.

Ein besonderes Geschenk bekam die "Tagespresse" zu ihrem Zehn-Jahres-Jubiläum von der FPÖ: Die Partei klagt das Satireportal, weil sich dieses in Briefen an Gastronomen in Niederösterreich als FPÖ ausgegeben hatte und diese ermunterte, "Andreas-Hofer-Schnitzel oder Gabalier-Fleischlaberl" auf ihre Karte zu setzen. Auf 47.500 Euro Streitwert beläuft sich die Klage auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung in den Wochenendausgaben zweier niederösterreichischer Zeitungen beim Handelsgericht Wien. Die FPÖ wolle damit die "ganze Branche einschüchtern", sagt "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch.

Unterstützung bekommt Jergitsch von prominenter Seite: 180 Personen aus Literatur, Musik, Film und Kabarett fordern die Partei mit einer Unterschriftenliste auf, die Klage zurückzuziehen. Das Schreiben wird von der IG Kabarett, dem Presseclub Concordia und dem Österreichischen PEN Club mitgetragen. Ihre Solidarität mit der "Tagespresse" haben etwa Josef Hader, Ursula Strauss, Michael Niavarani, Jan Böhmermann, Marlene Streeruwitz, Thomas Stipsits, Stefanie Sargnagel, Herbert Föttinger, Marie Kreutzer, Maschek, Christoph Grissemann, Dirk Stermann, Ruth Brauer, Nicholas Ofczarek, Michael Ostrowski, Caro Athanasiadis und Florian Scheuba erklärt.

"Alle Anzeichen einer Einschüchterungsklage"

In der von Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren und Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer ins Leben gerufenen Unterstützungsinitiative wird darauf hingewiesen, dass "alle Merkmale einer SLAPP-Klage" - also Einschüchterungsklage – vorlägen. SLAPP steht für "Strategic Lawsuits against Public Participation”, übersetzt etwa strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung.

"Egal, wie das Gericht entscheidet: Die Tatsache, dass diese Klage überhaupt eingebracht wurde, obwohl niemand materiellen oder körperlichen Schaden erlitt und die 'Tagespresse' die Täuschung umgehend aufklärte, lässt Rückschlüsse auf das Motiv der FPÖ zu. Durch das Abfeuern sämtlicher juristischer Geschütze aus allen Rohren sollen kritische Medien, Satire, Kunst und Kultur eingeschüchtert werden", heißt es in dem Statement.

Im schlimmsten Fall ca 70.000 Euro Kosten

"Tagespresse"-Gründer Jergitsch betrachtet die Klage zwar gleichsam auch als Auszeichnung, da es Aufgabe von Satire sei, die Mächtigen zu ärgern und ihnen den Spiegel vorzuhalten, doch sei sie keineswegs angenehm. "Wenn die FPÖ damit vor Gericht durchkäme, wäre es ziemlich schmerzhaft", sagt er. Im schlimmsten Fall rechnet der Satiriker mit Kosten in Höhe von ca. 70.000 Euro.

Anfang April hatte die "Tagespresse" rund 500 Gastronomen im Zusammenhang mit der von Schwarz-Blau angekündigten Wirtshausprämie Briefe geschickt. Darin ist die Rede von einer neu geschaffenen "Abteilung zur Förderung der patriotischen Esskultur". Als Kriterium zur Beurteilung, ob der Betrieb für die Wirtshausprämie geeignet sei, wurde etwa eine "Panierquote" angegeben.

Den Eingriff ins Namensrecht bestreitet Jergitsch nicht. Die FPÖ Niederösterreich argumentiere aber auch mit Kreditschädigung und unlauterem Wettbewerb, um potenzielle Nachahmer einzuschüchtern. Jergitsch betont die Wichtigkeit der solidarischen Aktion: "Deswegen ist es so wichtig, dass die Branche ein Zeichen der Geschlossenheit abgibt und zeigt, dass diese Art und Weise gegen Kritik vorzugehen, nicht unbeantwortet bleibt", sagte er.

Scheuba: "FPÖ versucht in Konkurrenz zur 'Tagespresse' zu treten"

Kabarettist Florian Scheuba sieht in der Argumentation der FPÖ Niederösterreich, wonach unlauterer Wettbewerb vorliege, einen Hinweis darauf, dass "die FPÖ möglicherweise wirklich versucht, in Konkurrenz zur 'Tagespresse' zu treten". Der Gedanke, dass die FPÖ ihre Klage ernst meine, erscheint dem Kabarettisten zumindest fraglich. Denn: "Sollte ein Gericht feststellen, dass dieser Text der 'Tagespresse' so nah dran an der Realität ist, dass er genauso gut von der FPÖ stammen könne, dann wäre das eine verheerende Erkenntnis für die FPÖ und die Öffentlichkeit."

Scheuba erachtet es als wichtig, sich von solchen Klagen nicht einschüchtern zu lassen. "Der Sinn einer SLAPP-Klage ist ja, dass etwas aus der Öffentlichkeit verschwinden soll. Man muss das Gegenteil machen und die Öffentlichkeit suchen", so der Kabarettist.

"Werden weiterhin die Sachen bringen"

"Auf uns haben solche Klagen keinen Effekt. Wir werden weiterhin die Sachen bringen, zu denen wir stehen", sagt Jergitsch. Auch an der Wirtshausprämienaktion halte man fest. "Der FPÖ geht es mit der Prämie darum, in die Speisekartengestaltung und damit in etwas, das durch kulturellen Austausch geprägt ist, einzugreifen. Wenn versucht wird, mit patriotischen, nationalistischen Kriterien eine Wirtshausprämie zu lancieren, gehört das kritisiert", so der "Tagespresse"-Gründer.

Juristisch sieht Jergitsch die Kunstfreiheit im Land mit vielen Gerichtsurteilen gut abgesichert. Auf einer ökonomischen Ebene sei das aber anders. Speziell Medien seien wegen der Förderungs- und Inseratenkultur sehr angreifbar für SLAPP-Klagen und Druck aus der Politik. "Journalismus, der sich selbst als vierte Säule der Demokratie sieht, sich dann aber von anderen Säulen der Demokratie stützen lässt, ist keine Säule. Ich würde mir wünschen, dass sich Medien und der Kunstbereich verstärkt Modellen widmen, die es ermöglichen, sich selbst zu finanzieren und nicht vom guten Willen der Politik abhängig zu sein", sagt Jergitsch, der aber gesteht, dass dies einfacher gesagt als getan ist.

Scheuba ortet noch einen weiteren problematischen Punkt: "Es war lange Zeit breiter Konsens, Satire nicht zu klagen, weil es wahnsinnig dumm ist. Offensichtlich ist dieser Grundkonsens der Minimalintelligenz nicht mehr durchsetzbar. Wir haben ein Bildungsproblem und es wäre erstaunlich, wenn sich das in der Politik nicht widerspiegeln würde."

Die "Tagespresse" hat noch ca. eine Woche Zeit, die Klage zu beantworten. Anschließend wird ein Prozesstermin festgesetzt, sofern die Klage von der FPÖ nicht doch noch zurückgezogen wird. Die Unterstützungsinitiative soll fortgesetzt werden, bis die FPÖ von der Klage Abstand nimmt.

(APA/Red.)

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