Flüchtlingscamp in Bosnien

Illegales Gefängnis? Spindelegger wehrt sich gegen erneute "Guantánamo"-Vorwürfe

Ex-Minister Spindelegger. (Archivbild)
Ex-Minister Spindelegger. (Archivbild)REUTERS
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In einem offenen Brief weist der Ex-Minister und Chef des  Internationalen Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD) Vorwürfe zurück, gegen Menschenrechtsstandards verstoßen zu haben. Der bosnische Minister für Menschenrechte fordert eine Untersuchung.

Der frühere österreichische Außenminister und jetzige Chef des Internationalen Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD) in Wien, Michael Spindelegger (ÖVP), hat sich erneut gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Bau einer geschlossenen Einrichtung innerhalb des bosnischen Flüchtlingscamps Lipa gewehrt und diese als „völlig falsche Anschuldigungen“ zurückgewiesen.

In einem offenen Brief an die Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) betonte der Ex-Minister, das ICMPD sei den Menschenrechten, rechtsstaatlichen Grundsätzen und einer verantwortungsvollen Migrationspolitik verpflichtet. Es sei „bedauerlich“, dass die Diskussion um das Lager zu einer anderen Auffassung geführt habe.

Der Bau der Internierungseinrichtung im Flüchtlingslager für 12 Menschen durch das ICMPD sei vom bosnischen Ministerium für Sicherheit angefordert und ausschließlich mit EU-Geldern für die Verbesserung von Aufnahmebedingungen in Bosnien-Herzegowina finanziert worden, so Spindelegger weiter. Wie bei allen ICMPD-Projekten gelte auch hier die Einhaltung höchster Standards.

SOS Balkanroute sieht illegales Gefängnis

Die Internierungseinrichtung im Flüchtlingslager Lipa wurde im Auftrag der EU-Kommission vom ICMPD errichtet. Laut Spindelegger sollen bis zu 12 Personen, die andere Bewohner des Lagers gefährden, darin für höchstens 72 Stunden untergebracht werden. Die NGO SOS Balkanroute wirft ICMPD vor, ein illegales Gefängnis gebaut zu haben, und geht davon aus, dass der Bau als Abschiebehaftanstalt genutzt werden wird. Die Diskussion um diese „Guantánamo“-Vorwürfe besteht seit April. Die Anlage ist laut ICMPD seit Jänner fertig, und man warte nun auf die Übergabe an die bosnischen Behörden.

Spindelegger hat im Zusammenhang mit den Vorwürfen auch eine Verleumdungsklage eingebracht. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, kritisierte diesen Schritt in einem offenen Brief am Mittwoch scharf.

Ernst-Dziedzic kritisierte erneut die Zustände im Camp Lipa als "untragbar". Sie verwies auf die Verantwortung der EU, die eingemahnt werden müsse. Der Druck der auf den EU-Anwärter Bosnien-Herzegowina von der EU ausgeübt werde, sei "völlig inakzeptabel".

Ernst-Dziedzic kritisierte zudem, dass die EU das ICMPD mit dem Bau des Inhaftierungstrakts beauftragt habe. Anders als bei internationalen UNO-Organisationen wie der IOM oder UNHCR mangle es im Fall des ICMPD an Transparenz und klaren Kriterien, an die sich die Organisation halten müsse. Dem Zentrum warf sie außerdem vor, mit ihrer Klage gegen die NGO SOS Balkanroute, zu "versuchen die Zivilgesellschaft, die Menschenrechtsverletzungen aufzeigt, mundtot zu machen". In einem Brief an die Teilnehmerstaaten des ICMPD habe sie diese um eine Stellungnahme dazu gebeten, berichtete sie.

Kritik auch von bosnischem Minister für Menschenrechte

Der bosnische Minister für Menschenrechte und Flüchtlinge, Sevlid Hurtic, hatte sich bei einem Besuch in Wien am Mittwoch erneut klar gegen die Inbetriebnahme des Internierungstrakts in Lipa bei Bihac ausgesprochen. "Wir sind klar für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber dieser Gefängnistrakt, der da entsteht, hat überhaupt keine Rechtsgrundlage", sagte Hurtic am Mittwoch bei einem von den Grünen im Parlament veranstalteten Pressegespräch.

Es sei ihm ein Anliegen, ähnliche Flüchtlingscamps in Österreich zu besichtigen, denn Österreich sei ein demokratisches Land, das die Menschenrechte einhalte, "das würden wir uns gerne zum Vorbild nehmen", so der bosnische Minister, der das Thema auch bei einem Treffen mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Abend ansprechen wollte.

Hurtic fordert Untersuchung

Der Schüssel für den Gefängnistrakt des Camps befinde sich mittlerweile in Bosnien, und er hoffe, dass die Anlage nicht in Betrieb gehen werde, sagte Hurtic. Falls doch, brauche es eine Rechtsgrundlage und eine genaue Definition, welche Personen unter welchen Umständen hier angehalten und dann abgeschoben werden dürften. Da der Wiederaufbau des Flüchtlingscamps auch mit österreichischen Steuergeldern mitfinanziert worden sei, würde er anregen, dass Regierung, Parlament und die zuständigen Finanzbehörden untersuchen, was genau mit den Finanzmitteln passiert sei, sagte der Minister.

Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination forderte ebenfalls mehr Transparenz in der europäischen Asylpolitik und einheitliche Regeln. Wenn man über Asylverfahren an den EU-Außengrenzen reden wolle, müsse zuerst über einheitliche Standards gesprochen werden. Bosnien-Herzegowina sei nicht Teil der EU, und daher würden hier nicht die EU-rechtsstaatlichen Standards gelten. Der Verdacht liege nahe, dass es bei der Auslagerung von Asylverfahren darum gehe, "dass es aus unserem Sichtfeld ist", so Gahleitner-Gertz.

(raa/APA)

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