Leitartikel

Während Europa die Zukunft plant, müssen wir „die Nerven bewahren“

Bundeskanzler Karl Nehammer versuchte am Rande des Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Moldau, die Bevölkerung in Österreich zu beruhigen. (Foto: Bundeskanzleramt)
Bundeskanzler Karl Nehammer versuchte am Rande des Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Moldau, die Bevölkerung in Österreich zu beruhigen. (Foto: Bundeskanzleramt) APA/BKA/Andy Wenzel
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Es liegt an Türkis-Grün, dafür zu sorgen, dass Österreich nicht als einziges EU-Land vom Stopp des Gastransits durch die Ukraine „überrascht“ wird.

Mit Ambitionen ist es hierzulande so eine Sache: Sind sie zu überbordend, ist man schnell als humorloser Streber verschrien. Sind sie allerdings nur rudimentär vorhanden, ist die Gefahr groß, ebenso rasch als asozialer Tachinierer abgestempelt zu werden. Insofern liegt die hohe Kunst der heimischen Innenpolitik darin, in jeder Sachfrage die schmale goldene Landepiste anzusteuern, um der Wählerschaft das absolute Minimum der tatsächlich benötigten Anstrengung zuzumuten, ohne ihr zugleich die Illusion zu nehmen, zu den europäischen Titanen der Arbeit zu zählen, deren vermeintlicher Fleiß sie dazu ermächtigt, anderen Europäern Lektionen zu erteilen.

Diese Dissonanz zwischen Selbstwahrnehmung und Wirklichkeit lässt sich allerdings nur so lang aufrechterhalten, wie es die äußeren Rahmenbedingungen zulassen. In den letzten Monaten hat sich der Wind zuungunsten Österreichs gedreht. Und so musste die heimische Bevölkerung etwa mit Schrecken erfahren, dass in Sachen Inflation so ziemlich jeder Südländer mit seinem „kaputten System“ (© Sebastian Kurz) besser unterwegs ist als man selbst – vom frugalen Nordwesten der Europäischen Union, in dem man sich so gern selbst verortet, ganz zu schweigen. Auch der einstige Nimbus des Klima-Musterschülers mit tadelloser Ökobilanz hat in der Zwischenzeit einige Kratzer davontragen müssen. Und was die durch Russlands Überfall auf die Ukraine notwendig gewordene Abkoppelung von russischen Ressourcen anbelangt, hat die EU-Kommission Österreich kürzlich coram publico gemaßregelt, weil die Abhängigkeit vom russischen Gas mit zuletzt rund 60 Prozent erstens nahezu unverändert und zweitens inakzeptabel hoch sei.

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