Gastkommentar

Österreich drückt sich weg

Klimaschutz. Obwohl Österreich 2015 dem Ergebnis der Pariser Klimakonferenz zugestimmt hat, ist seither nichts passiert.

Der Autor

Dr. Heinz Kopetz (*1941) ist seit 2012 Vorsitzender des Weltbiomasseverbands mit Sitz in Stockholm. Der Verband verstehtsich als Sprachrohr der globalen Bioenergiebranche und tritt für den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen ein. Er war langjähriger Vorsitzender des Österreichischen Biomasseverbands und Präsident des Europäischen Biomasseverbands.

Unser Land wird punkto Klimaschutz von einer unfassbaren Gleichgültigkeit gelähmt. Dies gilt für einen Teil der politischen Entscheidungsträger ebenso wie für Teile der Zivilgesellschaft. Dieser provokante Befund gründet auf einer trivialen Tatsache: der Entwicklung der Treibhausgasemissionen.

2015 hat Österreich dem Ergebnis der Pariser Klimakonferenz zugestimmt. Die Umsetzung erfordert, dass die Emissionen ab 2015 jährlich um drei Millionen Tonnen sinken. Tatsächlich waren die Emissionen im Jahr 2021 kaum geringer als 2015. Doch nicht nur die Klimakonferenz von Paris brachte Österreich internationale Verpflichtungen, sondern auch die jüngsten Beschlüsse in Brüssel zielen in die gleiche Richtung. Sie verpflichten Österreich, bis 2030 seine Emissionen um 48 Prozent zu senken im Vergleich zum Jahr 2005.

Das Unverständliche für mich ist, dass diese Diskrepanz zwischen rechtlicher Verpflichtung, physikalischer Notwendigkeit und realer Entwicklung nicht thematisiert wird.

Aktuelle Diskussionen drehen sich um Themen wie Wasserstoff und E-Fuels. Doch diese Energieträger können bis 2030 keinen Beitrag zur Senkung der Emissionen leisten, weil der erneuerbare Strom fehlt. Die zentrale Frage der Klimapolitik kann nur lauten: Wie können wir die Emissionen bis 2030 annähernd halbieren? Die Antwort liegt nicht in futuristischen Konzepten, sondern in ganz konkreten Maßnahmen.

Eine solche zentrale Maßnahme ist eine neue Strompolitik, die sicherstellt, dass alle Bundesländer im Sommer und im Winter ihre Stromversorgung zu 100Prozent aus erneuerbaren Quellen decken. Davon sind wir meilenweit entfernt. In den Wintermonaten des Jahres 2022 brauchten wir 15 Milliarden Kilowattstunden aus fossilen oder atomaren Kraftwerken!

Zur Erreichung der Klimaziele hilft es auch nicht, wenn Österreich im Sommer einen Stromüberschuss produziert und im Winter die gleiche Menge Strom aus Erdgas erzeugt. Das ist die Logik des aktuellen Stromgesetzes (100 Prozent Strom erneuerbar national bilanziell), doch diese Logik steht im Widerspruch zu unseren Reduktionsverpflichtungen.

Ende der fossilen Energie

Auch in der Mobilität braucht es neue Ansätze. Konzepte, die sich in urbanen Großräumen bewähren, versagen, wenn man sie auf ländliche Räume umlegt. In ländlichen Gebieten ist die individuelle Mobilität unverzichtbar. Ein umfassendes Programm zur Ausweitung der E-Mobilität ist ebenso notwendig wie die Weiterführung der ökosozialen Steuerreform, um die Signale gegen fossile Investitionen zu verstärken.

Und im Wärmebereich brauchen wir nicht nur verstärkte Maßnahmen zur Verbrauchsreduktion, ein Ende der Öl- und Gasheizungen im privaten Sektor, sondern auch ein Ende der fossilen Energieträger vor 2030 in den Fernwärmesystem großer Städte wie Wien, Linz, Salzburg und Graz.

Aufwachen aus der Apathie, Zusammenarbeiten über die Grenze von Parteien und Interessenverbänden hinweg, um rasch ein Maßnahmenbündel zur Halbierung der Emissionen bis 2030 zu realisieren, das ist das Gebot der Stunde. Nur so können wir unserer ethischen Verpflichtung im Kampf gegen die immer unheimlich werdende Erderhitzung nachkommen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2023)

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