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"27 Storeys": Im Kosmos von Alterlaa

Unterwegs in Alterlaa: Filmemacherin Bianca Gleissinger spürt mit heiter-ironischem Blick dem Glück der Bewohner nach.
Unterwegs in Alterlaa: Filmemacherin Bianca Gleissinger spürt mit heiter-ironischem Blick dem Glück der Bewohner nach.(c) Jana Madzigon
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Mit „27 Storeys“ porträtiert Bianca Gleissinger die Welt ihrer Kindheit: den Wohnpark Alterlaa. Vom Pool auf dem Dach bis zum Schießverein im Keller ist sie dabei auch Harry Glücks Glücksversprechen auf der Spur.

Der Film ist gut geworden!“, ruft ein junger Mann, der gerade zufällig vorbeikommt, wie bestellt in Richtung Bianca Gleissinger. Gerade erst hat die Regisseurin die Besucher vorn am Kaufpark bei der U-Bahn-Station abgeholt und vorbei an Bauernmarkt, Palmers und Papiergeschäft über den A-Block weiter „ins Herz hinein“ geführt – mitten in den Wohnpark von Alterlaa.

Jeder in Wien kennt die Wohntürme aus der Ferne, wohl kaum jemand die Anlage von innen. Es sei ein eigener Kosmos, sagt Gleissinger, einer, dessen Bewohner sich durchaus als eingeschworene Gemeinschaft fühlen. Fünf Jahre warten Interessierte derzeit hier auf eine Mietwohnung; wer zum Zug kommt, wird gleichzeitig Aktionär.

Dass sie an einem ungewöhnlichen Ort aufgewachsen ist, sei ihr trotzdem erst beim Studium in Berlin klar geworden, erzählt Gleissinger ein bisschen später im Café Plus (dort trifft man sich hier, oder nebenan in der Pizzeria). „Man lernt Leute kennen, fragt einander, wo man groß geworden ist. Ich hab immer erzählt, dass ich im sozialen Wohnbau aufgewachsen bin. Die Reaktion war immer: ,Oh Gott, wie schrecklich.‘ Also hab ich erzählt, dass wir Pools auf dem Dach hatten und Tennisplätze.“ Am Ende, sagt sie lachend, waren irgendwie alle Seiten völlig verwirrt.

Insgesamt sieben Pools befinden sich auf den Dächern von Alterlaa.
Insgesamt sieben Pools befinden sich auf den Dächern von Alterlaa.Mischief Films

Gleissingers Eltern waren Anfang der Achtziger in die ab 1973 errichtete Anlage eingezogen, sie selbst kam 1990 auf die Welt. Als Kind erlebte sie das Areal als einen einzigen riesigen Spielplatz. „Es gibt fünf Spielplätze, riesige Sportplätze, und das ganze Ding ist eigentlich ein riesiger Dschungel.“ Auch das Sozialleben findet vor Ort statt, es gibt Kindergarten, Schulen, eine Kirche. Gleichzeitig sei man nicht abgeschottet. „Man ist eher sehr gut angebunden.“

In ihrer Kindheitswelt gedreht hat Gleissinger über vier Jahre hinweg. Als erste Anlaufstelle diente der Kochklub; dort wiederum bekam sie eine Liste all der anderen Klubs, in denen Bewohnerinnen und Bewohner in den Gemeinschaftsräumen der Anlage ihren Hobbys nachgehen. Gleissinger machte sich also auf zum Schießen, Bridgespielen, Häkeln und Töpfern, besuchte den Mietbeirat, lernte immer mehr Leute kennen und gehörte dort, wo andere mit einer Kamera schnell einmal von der Security angefangen werden, irgendwann einfach zum Inventar.

Österreichs „größtes Altersheim"

Auch jetzt, da sie längst wieder zurück in Berlin ist, wird sie weiterhin erkannt. Für die Bewohner gab es schon lang vor dem Kinostart ein erstes Screening. Wie zur Bestätigung bleibt wenig später der nächste Bewohner stehen. „Gratuliere zu dem Video! Sagen S' einmal, unter uns, wer is'n der, der dort g'schwommen ist am Abend? Meine Kinder haben g'sagt, des woar i' . . .“

Im Hochhaus Rasen mähen
Im Hochhaus Rasen mähenMischief Films

Im Lauf der Zeit wurde dann auch die „Figur Bianca“ geboren, die mit ihrem Blick und ihrer Stimme der Doku einen heiter-humorvollen Rahmen gibt und Harry Glücks einstigem Glücksversprechen nachspürt. Apropos: Der Altersschnitt ist hoch: Wenige ziehen weg, andere (Ältere) kommen dank Infrastruktur und Barrierefreiheit dazu; manche scherzen längst über das „größte Altersheim Österreichs“. Auch Gleissinger kann sich vorstellen, im Alter wieder hier zu wohnen. „Man kann ohne eine Stufe einkaufen und wird nicht einmal nass.“ Am Ende kannte sich sogar ihr Team aus. „Ich hab ihnen gesagt: ,Ihr habt den Test bestanden, wenn ihr selbstständig zu C3/08/05 durch die Garage westseitig findet.‘ Wer das schafft, ist wirklich in Alterlaa angekommen.“

30 Clubräume im  Keller bieten raum für die alten Bastler vom Modellbauklub und Pensionist*innen im Bridge-Verein
30 Clubräume im Keller bieten raum für die alten Bastler vom Modellbauklub und Pensionist*innen im Bridge-VereinMischief Films

Auch Gleissinger selbst hat über den Film – „27 Storeys“ ist für die Absolventin eines Produktionsstudiums der Abschlussfilm – ihr bisher Unbekanntes erfahren. „Dass es ein Freddy-Quinn-Museum gibt, war mir völlig neu.“ Einmal pro Monat veranstaltet das Betreiber-Ehepaar übrigens einen Tag der offenen Tür (Tipp: Den Satz „Der lebt noch?!“ sollte man sich dabei verkneifen). Als Zuseher des Films hat man am Ende dann (sofern man nicht ohnehin an Wandas „Sterne von Alterlaa" denkt) jedenfalls auch noch einen Ohrwurm im Kopf: „So schön, schön war die Zeit . . .“

Auf einen Blick

Der Wohn- und Kaufpark Alterlaa gilt als Vorzeigeprojekt der funktionierenden Satellitenstadt der 1970er-Jahre. Architekt Harry Glück verwirklichte hier sein Konzept des „gestapelten Einfamilienhauses“ in Form von Terrassenwohnungen. Jede Wohnung verfügt zumindest über eine Loggia, die unteren 12 Stockwerke über einen Terrassengarten. Die charakteristischen Pflanztöpfe auf den Terrassen dienen sowohl als Sichtschutz, wie auch als Kleinstgarten. Unter dem Titel „Wohnen wie die Reichen“ umfasst die Anlage u. a. Rooftop-Pools, Tennisplätze und einen Park, außerdem einen Kindergarten, Schulen, eine Kirche und ein Einkaufszentrum.

„27 Storeys“ von Bianca Gleissinger läuft ab 2. Juni im Kino. Filmgespräche: „Der Traum, der bleibt – Harry Glück und das Wiener Modell“ (5. 6.), „Leben im Glück – Alterlaa heute und die Zukunft des Wohnens“ (13. 6.), je 20 Uhr, Filmcasino.

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