Literatur

Wer sauber bleibt, verliert

Jérôme Leroys politischer Kriminalroman „Die letzten Tage der Raubtiere“ zeichnet kein schönes Bild von Frankreich. Das soll er aber auch gar nicht.

Zuletzt hat der französische Autor Jérôme Leroy gemeinsam mit seinem deutschen Schriftstellerkollegen Max Annas „Terminus Leipzig“ geschrieben. Das nur 127 Seiten starke Buch ist eine Hommage an Jean-Patrick Manchette, den Gründervater des Neó-Polar, des politischen Kriminalromans. Darin handelte das Duo linke und rechte Gewalt in Frankreich und Deutschland ab.

Auch „Die letzten Tage der Raubtiere“ ist hochpolitisch und zeichnet ein Sittenbild Frankreichs in der Ära Emmanuel Macron. Zwar heißt die Präsidentin Nathalie Séchard, die Parallelen zum echten Präsidenten sind allerdings frappierend. Aber nicht nur das: Die fiktive Figur Agnès Dorgelles vom Bloc Patriotique entspricht unverkennbar Marine Le Pen, damals reale Führerin der Front National (heute Rassemblement National). Weitere Zutaten aus der Realität: Die Stimmung im Land ist aufgeheizt – wegen der Pandemie, aber auch aufgrund einer quälenden Hitzewelle.

Am Anfang ist noch relativ wenig von den titelgebenden Raubtieren zu spüren. Ja, Politik ist kein feines Geschäft, schon klar. Doch spätestens ab der Hälfte des Romans zieht der Autor die Zügel an, präziser gesagt: Er lässt sie los. Was dann an Bösartigkeiten und Skrupellosigkeiten passiert, lässt erschaudern. Vor Entführung und Mord wird nicht zurückgeschreckt. Die Botschaft mag deprimierend sein, für einen Noir-Roman ist sie aber wenig überraschend: Wer sauber bleibt, verliert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2023)

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