Mein Montag

Da muss man noch ein Spazi einplanen

Mit dem Vogel hat die Redewendung nichts zu tun.
Mit dem Vogel hat die Redewendung nichts zu tun.Die Presse (Fabry)
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Eine mundartliche Redewendung, ihre Wurzeln im alten Rom und ihre ursprüngliche Bedeutung.

„Da muss man noch ein Spazi einplanen“, sagt die Freundin. Ja, natürlich, ist der erste Reflex, verbunden mit einem introvertierten Nicken. Im nächsten Moment lässt man im Kopf das persönliche Wörterbuch des aktiven und passiven Wortschatzes durchrattern und muss feststellen, dass man keine Ahnung hat, was ein Spazi eigentlich sein soll. Und dass „ein Spazi einplanen“ auf der imaginären Karte der bekannten Redewendungen noch dick als terra incognita markiert ist. „Ein was?“, fragt man dann. „Na ja, ein Spazi halt.“

Zur Erklärung, es ging im Gespräch um Bücherregale, die in einem Zimmer aufgestellt werden sollen. Und, so die Erklärung, da muss man zwischen den Regalen und der Wand einen Spielraum lassen. Ein Spazi eben. Doch die standardsprachlichen Wörterbücher lassen einen im Stich. Der Spatz im Sinne von Sperling hat jedenfalls nichts damit zu tun, auch nicht in der kindlichen Verwendung mit i am Ende für das männliche Geschlechtsteil. Immerhin ein Wort findet sich, das eine gewisse Ähnlichkeit hat: spazieren. Und diese Spur ist gar nicht schlecht, denn das Wort für gemächliches Gehen hat seine Wurzeln im Lateinischen – hier landet man bei spatium, was für Raum oder Weite steht. Und da klingelt es. Spationieren kennt man ja von Texten, bei denen man den Abstand zwischen den Buchstaben anpassen kann, um etwa ein langes Wort besser unterzubringen.

Der Zwischenraum zwischen zwei Zeichen wird auch Spatium genannt. Und damit schließt sich die Assoziationskette – so wie zwischen Buchstaben kann man auch bei Möbelstücken einen Spielraum lassen. Auch zeitlich wird das Wort verwendet – etwa, indem man ein Spazi als Reserve einplant, um pünktlich zu einem Termin zu kommen. Und falls irgendwann wieder so ein bis dato unbekannter Begriff auftauchen sollte – im Bücherregal ist noch ein Spazi dafür übrig.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

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