Wiener Festwochen

Pinocchio für die Kleinen – mit Bühnenzauber, Film und Tanz

Regisseurin Wu Tsang und die Gruppe Moved by the Motion machen Carlo Collodis Klassiker zum entzückenden Erlebnis.

Wer sagt, dass alte Märchen alte Hüte sind? Im Volkstheater steht gerade dank einer Produktion vom Schauspielhaus Zürich der Gegenbeweis auf der Festwochen-Bühne. Das später „Pinienauge“ – Pinocchio – genannte Büblein schaut hier zu Beginn noch ungeboren aus seinem hinterleuchteten Scherenschnitt-Baumstamm. Schon flattert die Amsel herbei (Kay Kysela), die als cooler Geselle durchs Spiel führt und stets weiß, was gerade Sache ist. Zu ihr stößt Snail, die Schnecke. Deborah Macauley gleitet in ihrer glitzernden Robe mit Schneckenhäuschen am Rücken (Kostüme: Kyle Luu) in einem anderen Tempo durch die Welt. Aber die Augen in ihren Handflächen, die sie als Fühler überall hinstreckt, sehen viel, hinterfragen alles.

Ein sympathischer Rahmen für Carlo Collodis Geschichte, von der ein paar Episoden und Umdeutungen in siebzig kurzweiligen Minuten erzählt werden. Als dann Blue auftritt, Collodis Fee mit den dunkelblauen Haaren – die hier auch ein Komet ist, der immer einschlägt, wenn Märchenwunder gefragt sind –, kann das „Pinocchio“-Spiel beginnen: Geppetto (Vincent Basse) fällt Pinocchios Pinie, um in seiner Werkstatt die Puppe daraus zu schnitzen. Die zierliche Performerin Tosh Basco spielt sie – und muss ihre schlaksigen Glieder, lebendig geworden, erst unter Kontrolle bringen.

Um dann vom Fuchs und einer todschick schnurrenden Katze auf die falsche Fährte gelockt zu werden. Statt in der Schule landet Pinocchio als Jungstar im Zirkus, bald darauf in der Shoppingmall im Kaufrausch, endlich im Bauch des Wals. Das alles wird vom Kollektiv Moved by the Motion unter Leitung der Filmemacherin und Performerin Wu Tsang in eindrucksvollen Bildern mit wenigen Requisiten (Bühne: Nina Mader) und viel Film gezaubert. Die kleinen Theaterzuschauer gehen gebannt mit, wenn Pinocchio mit der Amsel durch die Luft fliegt oder vom auf der Leinwand hinter ihm das Maul aufreißenden Riesenwal verschluckt wird.

Als Vater und Sohn sich gefunden haben, wird getanzt – und auch die Kinder tanzen auf ihren Plätzen mit. Dass Pinocchio hier kein Menschenkind, dafür aber Gepetto als Pinie wiedergeboren wird, bleibt Geschmackssache. Gelungen ist jedenfalls der Beweis, dass die Magie des Theaters ungebrochen wirkt. Man muss nur an sie glauben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2023)

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