Der ökonomische Blick

Österreichs Kampf gegen die Inflation ist teuer, klimaschädlich und nicht treffsicher

Die Presse/Clemens Fabry
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Österreich befindet sich bei Ausgaben gegen die Inflation im Vergleich von 29 europäischen Ländern an fünfter Stelle. Zu einem großen Teil sind die Maßnahmen jedoch kontraproduktiv für die Klimaziele und nicht treffsicher. Wie das in Zukunft verhindert werden könnte.

Zahlreiche Länder haben seit Herbst 2021 Maßnahmen zur Abfederung negativer sozialer und ökonomischer Effekte der Teuerungs- und Energiepreiskrise gesetzt, wobei deren Umfang nicht nur absolut, sondern auch in Relation zur Wirtschaftsleistung stark differiert. Mit Stand Jänner 2023 befindet sich Österreich im Vergleich von 29 europäischen Ländern (EU 27, UK und Norwegen) mit Maßnahmen in Höhe von 5,2 Prozent des BIP an fünfter Stelle (Sgaravatti et al., 2023).

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

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Das in Österreich zwischen Anfang 2022 und Mai 2023 beschlossene Entlastungsvolumen summiert sich im Zeitraum 2022 bis 2026 kumuliert auf 48,7 Milliarden Euro, davon 48,1 Milliarden Euro seitens des Bundes. Der Anteil, der privaten Haushalten zukommt, beläuft sich auf 78,4 Prozent; an Unternehmen sowie die Land- und Forstwirtschaft gehen somit 21,6 Prozent. Das Gesamtvolumen besteht zu knapp 47 Prozent aus ausgabenseitigen Entlastungen, der Rest sind Steuer- bzw. Abgabenentlastungen. Der insgesamt hohe Anteil an dauerhaft-strukturellen Maßnahmen (rund 52 Prozent des Gesamtvolumens) dürfte eine Ursache für das auch im europäischen Vergleich hohe Gesamtvolumen der Entlastungsmaßnahmen sein.

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Maßnahmen in Hinblick auf Klimaziele kontraproduktiv

Die Teuerung wurde ursprünglich wesentlich durch den Anstieg der Energiepreise getrieben, dementsprechend weisen ein erheblicher Teil der gesamten Entlastungsmaßnahmen und der Großteil der kurzfristigen Maßnahmen einen direkten Energiebezug auf. Maßnahmen, die die Kosten der Energienutzung reduzieren, werden ceteris paribus zu einem Anstieg des Energieverbrauchs führen und sind dementsprechend auch als kontraproduktiv in Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele einzustufen, zumal auf die Möglichkeit verzichtet wurde, die Maßnahmen um Energiesparanreize zu ergänzen. Das trifft umso mehr zu, wenn es sich dabei um fossile Energieträger handelt.

Eine forcierte Elektrifizierung ist hingegen eine der relevanten Stellschrauben für die Erreichung der Klimaziele; kostendämpfende Maßnahmen sind in diesem Fall also weniger kritisch einzuschätzen. Bei Energiekostenzuschüssen, die auf einkommensschwache Haushalte fokussieren, ist generell nicht davon auszugehen, dass Energiesparanreize konterkariert werden: Einerseits stellen die Energiekosten für diese Haushalte auch nach Bezuschussung einen relevanten Kostenfaktor dar (Fink et al., 2022), andererseits sind Einsparpotentiale ohne starke Einschränkungen hier kaum gegeben. Solche, auf einkommensschwache Haushalte fokussierte Maßnahmen stellen allerdings die klare Minderheit dar.

Mit 93,3 Prozent (16,9 Milliarden Euro) hat ein erheblicher Anteil der energiebezogenen Entlastungsmaßnahmen (nicht-intendierte) klimakontraproduktive Wirkungen; das entspricht 35,1 Prozent der gesamten Unterstützungsleistungen des Bundes. Als klimaproduktiv sind dagegen 530 Millionen Euro (gut 2,9 Prozent der energiebezogenen Maßnahmen) einzuordnen, 675 Millionen Euro (3,7 Prozent) werden als klimaneutral eingestuft.

Großteil der Maßnahmen wird einkommensunabhängig gewährt

Die Treffsicherheit der Maßnahmen, sowohl für private Haushalte als auch für Unternehmen, ist ebenfalls von Interesse. Ein erster sehr grober Indikator für die diesbezügliche Ausgestaltung der Entlastungspakete für die privaten Haushalte ist die Unterteilung der Entlastungsmaßnahmen in einkommensabhängige und einkommensunabhängige Maßnahmen. Bisher werden 32,8 Milliarden Euro, das sind 87,1 Prozent der Entlastungsmaßnahmen für private Haushalte, einkommensunabhängig gewährt. Der Fokus der einkommensabhängigen kurzfristig-temporären Maßnahmen liegt auf Einmalzahlungen für Transferempfänger:innen inklusive Bezieher:innen von geringen Pensionen, Arbeitnehmer:innen mit niedrigen Einkommen sowie Familien mit Kindern.

Energiebezogene Antiteuerungs-Maßnahmen befinden sich im Spannungsfeld zwischen Reduktion der Belastung und Aufrechterhaltung von Energiesparanreizen. Während gezielte Unterstützungsmaßnahmen mit einem höheren administrativen Aufwand verbunden sind, behindern breite Steuersenkungen und Subventionen Preissignale und sind mit beträchtlichen budgetären Kosten verbunden. Daher sollten diese Maßnahmen mittel- und langfristig durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen für die am stärksten betroffenen Haushalte und Unternehmen ersetzt werden (Baumgartner et al., 2022; Böheim et al., 2022).

Evaluierungen im Nachhinein könnten Treffsicherheit verbessern

Schließlich sei auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, die mit beträchtlichem öffentlichem Mitteleinsatz verbundenen Entlastungsmaßnahmen zu evaluieren, und zwar ex ante ebenso wie ex post. Insbesondere interessieren die Klimawirkungen sowie die Treffsicherheit einzelner Instrumente zur Entlastung von privaten Haushalten und Unternehmen. Der Bund hat mit der (grundsätzlich für sämtliche budgetär relevanten Vorhaben verpflichtenden) Wirkungsfolgenabschätzung ein Instrument zur ex-ante-Bewertung von wirtschaftspolitischen Interventionen an der Hand, mit dessen Hilfe multiple Wirkungsdimensionen eingeschätzt und eventuelle Zielkonflikte transparent gemacht werden können.

Allerdings wurde beispielsweise für keine der klimarelevanten Entlastungsmaßnahmen eine solche ex-ante-Wirkungsfolgen­abschätzung durchgeführt. Ex post-Evaluierungen würden empirische Evidenz liefern, auf deren Basis die Ausgestaltung zukünftiger Unterstützungsmaßnahmen in Richtung größere Treffsicherheit sowie Klimaverträglichkeit verbessert werden kann.

Die Autorinnen

Claudia Kettner ist Senior Economist in der Forschungsgruppe Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie am WIFO. Ihre Forschungsschwerpunkte sind europäische und österreichische Energie- und Klimapolitik, Indikatoren für nachhaltige Entwicklung sowie Treibstoffverbrauch und Verkehrssteuern.

Margit Schratzenstaller ist Senior Economist in der Forschungsgruppe Makroökonomie und Öffentliche Finanzen am WIFO. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Budget- und Steuerpolitik, grüne öffentliche Finanzen, Finanzausgleich und EU-Budget.

Andrea Sutrich ist wissenschaftliche Assistentin in der Forschungsgruppe Makroökonomie und Öffentliche Finanzen am WIFO.

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