SPÖ-Wahl

Andreas Babler: St. Pauli-Fan, Lagerarbeiter, SPÖ-Chef

Zugute kommt ihm, dass die SPÖ von einem historischen Tiefstand in die nächste Nationalratswahl zieht.
Zugute kommt ihm, dass die SPÖ von einem historischen Tiefstand in die nächste Nationalratswahl zieht.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Auch er schoss gegen die Partei-Elite quer, doch man verzeiht es ihm eher. In seiner Heimatstadt Traiskirchen ist er omnipräsent, politische Erfahrung hat er fast nur auf dieser Ebene.

Es war wohl die kurioseste Kür eines Parteivorsitzenden in der österreichischen Polit-Geschichte. Wegen eines Tweets von ORF-Journalist Martin Thür hat die SPÖ die Parteitagsstimmen nochmal ausgezählt, nun steht doch der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler an der Spitze der österreichischen Sozialdemokraten, er ist der dreizehnte Parteichef der SPÖ.

An höherer politischer Erfahrung bietet der 50-jährige bisher nur das Bürgermeisteramt einer Kleinstadt und wenige Sitzungen im Bundesrat.  Dass seine jüngst bekannt gewordene fundamentale EU-Kritik die Delegierten nicht abschreckte, dürfte viele überraschen.

Babler wurde 1973 geboren und wuchs in einer Arbeiterfamilie in Traiskirchen auf. Er besuchte die HTL in Mödling, brach die Schule ab und arbeitete vor seinem Militärdienst als Maschinenschlosser und als Lagerarbeiter. Er erzählt gern von seiner Zeit, als er Mineralwasser in Flaschen abfüllte. Oft wurde er als "gelernter Maschinenschlosser" bezeichnet, er hat aber keine abgeschlossene Lehre.

In den 1990er Jahren engagierte er sich in der Sozialistischen Jugend (selbst dort gehörte er zum linken Flügel) und stieg zum Bundessekretär auf. Später hat er, quasi auf dem zweiten Bildungsweg, politische Kommunikation studiert. 28-jährig zog er erstmals in den Gemeinderat ein. Seine Heimatstadt ist Ort der größten Asyl-Erstaufnahmestelle Österreichs, trotz eines prononciert flüchtlingsfreundlichen Kurses konnte Babler dort für die SPÖ mehr als 70 Prozent lukrieren.

Ein typischer Bürgermeister

Es ist nicht so, dass Babler in den vergangenen Jahren weniger gegen die Partei-Elite quergeschossen hätte als der burgenländische Landeshauptmann, doch ihm verzeiht man es eher. Er ist leichter fassbar, typischer Bürgermeister, gerne beim Volk, legere Sprache, legere Kleidung, gerne auch mal im Dress seines Lieblingsvereins, dem FC St. Pauli. Dazu ist er einer der wenigen deklariert Linken im Land, der eine Erfolgsgeschichte an der Wahlurne vorweisen kann.

Babler ist in Traiskirchen omnipräsent, zwischenzeitlich sogar mit einer Buschenschank. Egal ob nun Basket- oder Baseball gespielt oder sonstwo gefeiert wird, die Bevölkerung wird ihren Bürgermeister zu sehen bekommen. Dass er sich dereinst für einen deklarierten Linken einen Doppelbezug gegönnt hatte, haben viele Fans längst vergessen.

Babler ist rhetorisch nicht überragend, er neigt zu Pathos und Ausschweifungen, wird manchmal zu theoretisch, doch mit Überzeugung und Feuer trifft der verheiratete Vater einer Tochter das sozialdemokratische Herz. Dass er es bei der Mitgliederbefragung trotz struktureller Nachteile seiner Kampagne mit der Amtsinhaberin und einem Landeshauptmann aufnehmen konnte, nötigte sogar seinen Gegnern Respekt ab. Zugute kommt ihm, dass die SPÖ von einem historischen Tiefstand in die nächste Nationalratswahl zieht. Schon deutlich schwieriger sein wird es, mit seinem Programm einen Koalitionspartner zu finden. Denn selbst die Neos werden in Bablers Welt nicht viel Freude haben, von FPÖ und ÖVP ganz zu schweigen.

Sein Programm für den SPÖ-Vorsitz war breit. Kernpunkt ist die Arbeitszeit-Verkürzung. Doch auch einen milliardenschweren Klimaschwerpunkt würde er setzen wollen, das Land mit Gemeindebauten überziehen und die Vermögenden steuerlich stärker zur Kasse bitten. In der Flüchtlingspolitik bleibt Babler eher vage, aber wofür er grundsätzlich steht, weiß man ohnehin. Ob die Österreicher das und ihn schätzen, wird sich 2024 zeigen.

Die Vorsitzenden der SPÖ

Vor Babler gab es bisher elf männliche und mit Pamela Rendi-Wagner eine weibliche Vorsitzende. Am längsten im Amt in der Geschichte der österreichischen Sozialisten bzw. Sozialdemokraten war Bruno Kreisky mit mehr als 16 Jahren. Dahinter folgt Adolf Schärf, der nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Jahre an der Spitze stand. Kürzestdienender SPÖ-Vorsitzender ist Christian Kern mit seinen gut zwei Jahren im Amt. Unter einer vierjährigen Periode blieb sonst nur noch Viktor Klima.

Victor Adler 01.01.1889 - 11.11.1918
Karl Seitz 11.11.1918 - 14.04.1945
Adolf Schärf 14.04.1945 - 08.05.1957
Bruno Pittermann 08.05.1957 - 01.02.1967
Bruno Kreisky 01.02.1967 - 27.10.1983
Fred Sinowatz 27.10.1983 - 11.05.1988
Franz Vranitzky 11.05.1988 - 09.04.1997
Viktor Klima 09.04.1997 - 28.04.2000
Alfred Gusenbauer 28.04.2000 - 08.08.2008
Werner Faymann 08.08.2008 - 25.06.2016
Christian Kern 25.06.2016 - 24.11.2018
Pamela Rendi-Wagner 24.11.2018 - 03.06.2023
Andreas Babler seit 03.06.2023

(APA/red.)

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