Interview

„Dilettantische Russlandsanktionen“, sagt der führende Experte Winkler: „99 Prozent der Juristen kennen sich nicht aus“

Manche US-Firmen wie Starbucks zogen sich schneller aus Russland zurück als europäische. Warum eigentlich? Und zurecht?
Manche US-Firmen wie Starbucks zogen sich schneller aus Russland zurück als europäische. Warum eigentlich? Und zurecht?Imago
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Als einer der wenigen Sanktionsanwälte berät er weltweit Regierungen und Konzerne bei den Russlandsanktionen. Warum diese so dilettantisch konzipiert sind, just ein südeuropäisches Land bei der Umsetzung den Weg weist, ein Ausstieg aus dem Russland-Geschäft nicht immer vernünftig - und gerade Raiffeisen wohltuend unhysterisch ist, erzählt Viktor Winkler im Interview.

Sie beraten den deutschen Bundestag und weltweit Regierungen in Sachen Russlandsanktionen und natürlich viele Unternehmen. Spielen sie quasi Feuerwehr?
Viktor Winkler: Nein, das sehen viele falsch. Ich berate ja Privatbankiers, Industrieunternehmen und Regierungen. Und bei allen drei Gruppen kommen immer diejenigen zu mir, die übervorsichtig in der Sanktionserfüllung sind. Sie wollen entweder Klassenbester sein oder müssen es, weil sie eben noch viel legales Russlandgeschäft haben. 

Welche Regierungen außer der deutschen beraten Sie?
Das darf ich nicht sagen. Es sind außereuropäische, für die die EU-Sanktionen rechtlich an sich nicht gelten und die aber aus politischen Gründen trotzdem jede Berührung mit verbotenen Geschäften vermeiden wollen.

Sanktionen im jetzigen Ausmaß sind ein Novum für Europa. Wie erleben Sie als einer der wenigen ausgewiesenen Sanktionsanwälte den Umgang damit?
Das Thema war vorher nicht auf dem Schirm, obwohl es ja schon Iran- und seit 2014 Russlandsanktionen gab. Nur die Banken hatten sich schon vorher sehr intensiv mit Sanktions-Compliance beschäftigt, teils mit einem Hang zur Hysterie. Aber die Industrieunternehmen meist zu wenig oder überhaupt nicht. Da sind wir in Deutschland – und generell in Europa – noch immer weit von den USA entfernt. In der Politik stoßen wir Sanktionsfachleute weiterhin auf taube Ohren, wenn wir darauf hinweisen, dass wir ein Bundessanktionsgesetz sowie eine eigene Bundessanktionsbehörde und –polizei wie in den USA und in Italien brauchen.

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