Mediengesetz: Wie man in Ungarn damit lebt

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Von der beschnittenen Pressefreiheit ist auch ein österreichischer Verlag betroffen. Doch noch werden Ungarns Mediengesetze nicht exikutiert. Von Demonstranten heißt es weiterhin: "Wir fordern Pressefreiheit".

Wenn Josef Kogler über das ungarische Mediengesetz spricht, schwingt eines unüberhörbar mit: die Hoffnung, es möge sich alles zum Guten wenden. Kogler ist Geschäftsführer des Medienunternehmens Inform Média, einer Tochtergesellschaft des Vorarlberger Medienhauses, die im Osten Ungarns drei regionale Tageszeitungen herausgibt und mehrere Webportale betreibt.

Vor einem Monat, am 1. Jänner, ist das neue Mediengesetz in Kraft getreten und die Medienkontrollbehörde NMHH hat ihre Arbeit aufgenommen. Sie überwacht staatliche und private TV- und Radiosender, Zeitungen, Internetseiten. Zeitgleich hat Ungarn die EU-Präsidentschaft angetreten. Rüffel von der EU gab es zuerst nur zaghaft, erst vergangene Woche hat EU-Kommissarin Neelie Kroes in einem Brief „ernste Zweifel“ daran geäußert, ob das Mediengesetz mit dem EU-Recht vereinbar sei. Die Kommission droht Ungarn mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Gestern, Montag antwortete der Vizepremier und Justizminister Tibor Navracsics der Kommission. Er verteidigte das Gesetz und versicherte, dass die ungarische Regierung alles unternehmen werde, damit die Medienregulierung „den Anforderungen des Unionsrechts entspricht“. Zudem räumte er ein, Ungarn sei bereit, eine Modifizierung des Gesetzes einzuleiten, wenn diese von der Kommission für notwendig gehalten werde. Ein Angebot, das für viele nur wie eine leere Floskel klingt.

Welche Auswirkungen haben die gesetzlichen Änderungen auf die tägliche Arbeit in den Redaktionen? Wenig bis gar keine – vorerst. Was daran liegen könnte, dass das Gesetz bisher noch nicht exekutiert wird, glaubt Josef Kogler. Sein Verlag arbeite unverändert weiter wie bisher – allerdings sieht er „zwei konkrete Probleme“: die Verpflichtung der Medien zur Offenlegung ihrer Quellen und die Verhängung von Strafen an Medien, wenn die Berichterstattung „unausgewogen“ ist. Von den Journalisten hört er, dass Informanten durch das neue Gesetz spürbar verunsichert sind. Auch die Einführung der Branchensteuer für in Ungarn tätige ausländische Unternehmen hat Konsequenzen für die Medienunternehmen. „Das könnte für uns direkte Auswirkungen haben, wenn die Firmen, die davon betroffen sind – Banken, Einzelhandelsketten – in Zukunft beim Marketing sparen und deswegen weniger Inserate bei uns schalten.“

„Hysterie der Auslandspresse“

Während Ministerpräsident Viktor Orbán die Kritik aus dem Ausland und von der EU als „böswillige Interventionen“ bezeichnet undCsanád Szegedi, der Vizechef der rechtsradikalen Partei Jobbik, von einer „Hysterie der internationalen Presse“ spricht, gehen beunruhigte Bürger in Budapest immer wieder auf die Straße – zuletzt demonstrierten am Donnerstag 7000 Menschen mit verklebtem Mund gegen das Gesetz. „Die breite Masse setzt sich damit nicht auseinander“, sagt Josef Kogler. Was eine Umfrage der konservativen Wochenzeitung „Heti Válasz“ bestätigt: 57Prozent der Befragten sehen die Pressefreiheit nicht in Gefahr.

Der ungarische Soziologe Iván Szelényi, der auch an der US-Yale University lehrt, erklärt die Entstehung des Mediengesetzes in der linksliberalen Wochenzeitung „168 óra“ so: „Die Regierungspartei Fidesz hat aus den Mediengesetzen der europäischen Länder die konservativsten Passagen herausgeklaubt, diese willkürlich uminterpretiert und eines der restriktivsten Mediengesetze geschaffen.“

Die Fidesz-Partei hält die Unverletzbarkeit der Presse- und Meinungsfreiheit für nicht wichtig. „Die Regierungspartei hat in den vergangenen 20 Jahren nicht verstanden, dass die Presse- und Meinungsfreiheit für den Westen ein elementarer Bestandteil seiner politischen und kulturellen Identität ist“, sagt der Essayist Péter György. Auch wenn Josef Kogler nicht genau weiß, was auf die Branche zukommt, bleibt er zuversichtlich, beinahe kämpferisch. Er verspricht: „Wir werden unsere Journalisten so schützen, dass sie unabhängig berichten können.“ awa/i.w./pbo

Vorarlberger in Ungarn

Inform Média ist die ungarische Tochter des Vorarlberger Medienhauses. Der Verlag beschäftigt 450 Mitarbeiter und publiziert drei regionale Tageszeitungen (darunter „Észak-Magyarország“, „Kelet-Magyarország“, siehe Bild, und „Hajdú-buhari Napló“), drei Sonntagszeitungen, zehn Gratisblätter und betreibt vier Online-News-Portale.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2011)

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