Marokko: Thron von "Partykönig"Mohammed VI. wackelt

(c) AP (ABDELJALIL BOUNHAR)
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Jugendarbeitslosigkeit, Korruption, Armut: Marokko gilt als ärmstes Land Nordafrikas. Der Problemcocktail kann jederzeit in die Luft gehen. König Mohammed VI. scheint über die Lage nicht sehr besorgt zu sein.

Rabat/Madrid. „Wir sind alle Ägypter“, rufen die Menschen. „Nieder mit der Diktatur, es lebe die Freiheit.“ In mehreren Städten Marokkos, darunter Rabat, Fez und Tanger, flammten zuletzt Proteste auf.

Den Demonstranten blieb wenig Zeit, ihre Meinung öffentlich zu machen: Die Polizei löste die Kundgebungen sofort auf. Proteste sind im Reich von König Mohammed VI. (47) unerwünscht. Kritische Berichterstattung auch: Der populäre arabische TV-Sender „al-Jazeera“ wurde bereits vor drei Monaten aus Marokko verbannt.

Ihre Majestät scheint nicht sehr besorgt zu sein. Als das Pulverfass in Ägypten gerade explodierte, flog „Partykönig“ Mohammed zur Erholung in seine Luxusvilla im französischen Betz. Zum Aufruhr in der arabischen Welt äußerte er sich nicht.

Sein Cousin Moulay Hicham, der wegen seiner liberalen Ansichten auch „roter Prinz“ genannt wird, warnte indes vor einem Übergreifen der Unruhen: „Marokko wird wohl keine Ausnahme sein.“ Vier Selbstverbrennungen wurden in Marokko zuletzt bekannt. Die Behörden wiegelten diese Tragödien als „nicht politisch motivierte“, persönliche Schicksalsschläge ab.

Zündstoff gibt es vielfach: Marokko gilt als ärmstes Land Nordafrikas, die soziale Schere klafft weiter auseinander als in Tunesien oder in Ägypten. Die Islamisten könnten, wenn man sie ließe, vermutlich sogar Wahlen gewinnen. Die Berber-Volksgruppe fühlt sich diskriminiert. Dazu kommt noch der Konflikt in der von Marokko besetzten Westsahara.

2,5 Milliarden beiseite geschafft

Mindestens ein Viertel der Jungakademiker ist arbeitslos, 20 Prozent der Marokkaner müssen mit weniger als einem Euro am Tag auskommen, mehr als 40 Prozent sind Analphabeten. König Mohammed, dessen Holding ONA viele Wirtschaftszweige beherrscht, schwimmt dafür in einem Privatvermögen, das „Forbes“ auf 2,5 Milliarden Dollar schätzt. Der Sohn treibt es ärger als sein 1999 verstorbener Vater. „Obwohl die korrupten Praktiken schon unter König Hassan existierten“, zitiert die Enthüllungsplattform WikiLeaks aus einem vertraulichen Bericht der US-Botschaft, „ist die Korruption unter Mohammed VI. noch weiter institutionalisiert worden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2011)

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