Aufsichtsräte: "Sind schlicht und einfach Lobbyisten"

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Nach dem Abgang von Gusenbauer zur Strabag holt sich der Baukonzern Alpine nun Ex-EU-Kommissarin Ferrero-Waldner in den Aufsichtsrat. Bleibt nur noch die Frage: Gehören Ex-Politiker wirklich in Kontrollgremien?

Es gibt ein Leben nach Alfred Gusenbauer. Politisch ist das eh klar: Als Kanzler hat er längst abgedankt, und die Republik steht gottlob immer noch. Beim Baukonzern Alpine war das Grundvertrauen aber offenbar eher schwach ausgeprägt: Mitte 2010 verabschiedete sich Gusenbauer nach nur einjähriger Tätigkeit äußerst spontan aus dem Alpine-Aufsichtsrat. Und im Baukonzern herrschte blankes Entsetzen.

Fairerweise muss aber dazugesagt werden, dass nicht bloß der Abgang einer honorigen Persönlichkeit den Alpine-Konzern fassungslos zurückließ. Vielmehr waren es die Umstände der Trennung: Gusenbauer wechselte nämlich von der Alpine direkt in das Kontrollgremium der Strabag. Zur Konkurrenz, ausgerechnet.

Die Alpine schrie Zeter und Mordio, konsultierte Juristen – und ließ die Sache schließlich auf sich beruhen. Eine Handhabe gegen den „Vertrauensbruch der Extraklasse“, wie damals geschimpft wurde, gibt es nicht.

Das Leben muss halt irgendwie weitergehen. Und das oft gar nicht so übel. Die Alpine hat jetzt jedenfalls einen durchaus probaten Ersatz für Gusenbauer gefunden: Kommende Woche wird Benita Ferrero-Waldner in das Gremium einziehen. Immerhin: österreichische Ex-Außenministerin und Ex-EU-Kommissarin. Da schaut die Strabag aber.

Eine Alpine-Sprecherin schwört allerdings, dass „keinesfalls explizit nach ehemaligen Politikern gesucht wurde“. Angeblich war Ferrero-Waldner der ausdrückliche Wunsch von Esther Koplowitz. Sie ist Großaktionärin des spanischen Baukonzerns FCC – und der wiederum ist Mehrheitseigentümer der Alpine. Koplowitz kennt Ferrero-Waldner schon lange. In der Alpine wird erzählt, dass der Kontakt zwischen den beiden Damen vor Jahren über Marcelino Oreja zustande kam. Oreja war einst spanischer Außenminister, später EU-Kommissar für Verkehr und Energie und Aufsichtsratspräsident der FCC. Intensiver wurde sein Kontakt zu Ferrero-Waldner, als diese im Jahre 2000 Außenministerin wurde: Oreja war einer der „drei Weisen“, die die EU in dem Jahr nach Österreich sandte. Mit dem Auftrag, die Situation im Lande zu prüfen, nachdem die EU gegen das schwarz-blau regierte Österreich Sanktionen verhängt hatte. Die „drei Weisen“ stellten der Regierung in Wien schließlich ein gutes Zeugnis aus, die Sanktionen wurden aufgehoben.

Doch das ist längst Geschichte. Heute soll Ferrero-Waldner, die größtenteils in Madrid lebt und (wie Gusenbauer) fließend Spanisch spricht, eine Art Bindeglied zwischen den spanischen Eigentümern und der Alpine sein. Und natürlich erhofft sich der Baukonzern von ihr auch Unterstützung im Geschäft: „Für den Aufsichtsrat wurde jemand gesucht, der international gut vernetzt ist“, erklärt die Alpine-Sprecherin, „wir erhoffen uns internationale Kontakte durch Ferrero-Waldner. Denn gerade im Infrastrukturbereich spielt sich viel auf politischer Ebene ab.“

Ein wahres Wort. Und ein durchaus legitimer Wunsch. Ein Wunsch, wohlgemerkt, den sich unzählige Unternehmen rund um den Globus erfüllen. Ehemalige Politiker in Aufsichtsräte zu holen, ist ein beliebter Schachzug – von dem beide Seiten profitieren: Die Ex-Politiker freuen sich über das schöne Gefühl, dass auf ihre Expertise Wert gelegt wird, sowie über die Gewissheit, dass gar nicht wenig Honorar mit der neuen Aufgabe verbunden ist. Die Unternehmen wiederum profitieren von dem unbezahlbaren Werbeeffekt, einen „Promi“ zu den Ihren zählen zu dürfen. Und als Türöffner sind diese allemal einsetzbar: Meist verfügen die einstigen Politiker noch über Handynummern von aktiven Regierungsmitgliedern. Ein kurzer Anruf genügt oft – und dem feinen anvisierten Geschäft steht nichts mehr im Wege.

Das Unschöne an der schönen Sache ist halt, dass sie die Rolle des Aufsichtsrates verkennt.

Unternehmensrechtlerin Susanne Kalss findet jedenfalls, dass Ex-Politiker als deklarierte Türöffner in Aufsichtsräten nichts verloren haben. „Kontakte zu ermöglichen – das ist eine eigene Dienstleistung“, sagt die WU-Professorin. Mit der Rolle des Kontrollors sei dies absolut unvereinbar: „Aufsichtsräte sollten nicht in einen strategischen Diskurs mit dem Vorstand treten.“ Sondern eben kontrollieren. Kalss: „Vermutlich haben solche Ex-Politiker auch noch einen Konsulentenvertrag mit dem Unternehmen. Es ist falsch, damit eine Organfunktion zu verknüpfen. Das sind schlicht und einfach Lobbyisten.“

Und dass Aufsichtsräte im Ernstfall – wenn im Unternehmen etwas schiefläuft – auch haftbar gemacht werden können, wird da wohl auch auf die leichte Schulter genommen: „Das Ganze kann schnell kippen – von einer Schönwetterbeschäftigung zu einer hohen Dramatik“, weiß Viktoria Kickinger, Chefin des Aufsichtsrat-Beratungsunternehmens Inara.

Allerdings ist die merkwürdige Dehnung des Begriffs „Aufsicht“ beileibe kein österreichisches Unikum. Böse Zungen würden sogar behaupten, dass unter Österreichs Ex-Politikern sehr wenige sind, die international brauchbare Kontakte haben. Gusenbauer gehört zweifellos dazu, Ferrero-Waldner ebenso, detto Wolfgang Schüssel. Gusenbauer präsidiert denn auch die Aufsichtsräte von Strabag und vom Immobilienunternehmen Sigma. Ferrero-Waldner ist Aufsichtsrat bei der Münchener Rück, Schüssel beim deutschen Stromkonzern RWE. Hubert Gorbach ist Aufsichtsrat beim Feuerfestkonzern RHI, aber das hat wohl weniger mit seinen großartigen internationalen Kontakten zu tun.

Dafür haben deutsche Ex-Politiker ein echtes Faible für Aufsichtsräte: Der einstige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber „kontrolliert“ die Nürnberger Versicherung, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück den Stahlkonzern ThyssenKrupp. Der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter und des russischen Beratungsunternehmens Energy Consulting. Ex-Kanzler Gerhard Schröder ist Aufsichtsratschef eines internationalen Konsortiums, das die Ostsee-Pipeline Nord Stream baut.

Ex-Außenminister Joschka Fischer ist beim Pipelineprojekt Nabucco untergekommen. Doch dort gibt er sich wenigstens dafür aus, was er wirklich ist: Berater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2011)

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