Die Pflicht, Neuankömmlingen ein Festmahl zu bereiten

Ein Gastmahl ist ein ursprüngliches Zeichen von Freundschaft. Womit könnte ich bei der nächsten Einladung überraschen?

"Sie bereiteten ihm dort ein Mahl."
Joh 12,2

Alice Herz-Sommer ist mit ihren 107 Jahren die älteste bekannte Überlebende des Holocaust. Die im Prag der k. u. k. Monarchie geborene Pianistin lebt heute in London und spielt täglich zweieinhalb Stunden Klavier.

1943 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Rahmen der „Freizeitgestaltung“ über hundert Konzerte gab. „Wenn ich sage, wir haben nicht gegessen, so muss man mir das glauben. In der Früh gab es schwarzes Wasser, das war Kaffee, zu Mittag ein weißes Wasser, das war Suppe, und abends wieder das schwarze Wasser. Wir waren also Haut und Knochen. Aber wir Musiker, wir waren eigentlich gesund. Theresienstadt war der Beweis des Zaubers des Musik.“

Ihr einer Landschaft gleich geprägtes Gesicht und ihr bedächtiges Nicken räumen jeden möglichen Zweifel aus. Fürchterlich war es für Alice Sommer, ihrem sechsjährigen Sohn Raphael nichts zu essen geben zu können. „Für eine Mutter mit einem Kind war es ganz besonders schwer. Wenn ein Kind Hunger hat, und die Mutter hat nichts, um es ihm zu geben, damit es den Hunger stillt, ist es eine ganz fürchterliche Situation.“

Einander mitzuteilen von dem, was man hat oder vermag, ist das Wesen der Liebe. Jemandem zu essen zu geben ist ihr ursprünglichster Ausdruck.

Die Bibel spiegelt diese schlichte Einsicht schon in der Schöpfungserzählung. „Seid fruchtbar und vermehrt euch“, ist Gottes erstes Wort an den Menschen, und schon im nächsten Atemzug macht er der Menschheit alle Früchte der Erde zum Geschenk: „Siehe, ich habe euch alle samentragenden Pflanzen gegeben auf dem Angesicht der Erde, und alle Bäume mit samentragenden Früchten, für euch sollen sie sein, zur Speise.“

Diese göttliche Fürsorge kommt erneut zum Ausdruck, wenn das Volk Israel in der Wüste über vierzig Jahre mit Manna, dem Brot vom Himmel, und Tauben genährt wird, um schließlich in das Land zu gelangen, in dem Milch und Honig fließen.

Für biblische Gastgeber gehört es zur ersten Pflicht, Neuankömmlingen ein Mahl zu bereiten. Die Witwe von Sarepta möchte dem Propheten Elija die Gastfreundschaft verweigern, da sie dabei ist, ihre letzten Lebensmittel zu bereiten, um dann mit ihrem Sohn zu sterben. Der Prophet besteht dennoch darauf, dass sie zuerst ihm zu essen gebe, woraufhin Brot und Öl durch ein Wunder nicht ausgehen, sondern Gastgeber und Gast bis zum Ende der Not ernähren. Wenn Jesus Brot und Fische tausendfach vermehrt, zeigt sich wieder die göttliche Gastfreundschaft.

Es ist eine Schande, bemerke ich, dass ich vor lauter Schreiben das Kochen vernachlässigt habe. Heute Abend gibt es Schweinsfilet mit Gemüse für meine Freunde. Welche besonderen Zutaten könnte ich verwenden, um ihnen zu zeigen, was sie mir bedeuten?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2011)

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