Den USA droht eine Schuldenkatastrophe

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Die US-Staatsschulden drohen außer Kontrolle zu geraten, fürchtet Notenbankchef Ben Bernanke. Die US-Zentralbank Fed, bereits größter Gläubiger der USA, macht sich mit einem Bilanzierungstrick "insolvenzsicher".

Washington/Wien/Ag/Ju. Die USA sind dabei, in eine gigantische Schuldenkrise zu schlittern. Der Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed), Ben Bernanke, warnte Donnerstagabend eindringlich davor und forderte Regierung und Parlament dazu auf, entschlossene Schritte zu setzen, um das Defizit und die Staatsschulden wieder in den Griff zu bekommen.

Das Budgetdefizit der USA lag zuletzt bei neun Prozent des BIPs, vor der Krise waren es zwei Prozent. Die Staatsschulden sind unterdessen auf 14.000 Mrd. Dollar geklettert und liegen nur noch knapp unter der gesetzlich festgelegten Schuldenobergrenze von 14.300 Mrd. Dollar, die im Frühsommer überschritten werden dürfte. Die Staatsschuldenquote ist damit nicht mehr weit von 100 Prozent des BIPs entfernt – ein Wert, der beispielsweise deutlich höher liegt als die Schuldenquote von Spanien oder Portugal.

Wenn es nicht gelingen sollte, die Staatsschuldenexplosion in den Griff zu bekommen, könnte das dazu führen, „dass Investoren den USA kein Geld mehr leihen“, sagte Bernanke. Das würde eine Schuldenkrise wie in Griechenland oder Irland auslösen – freilich mit viel krasseren Auswirkungen. Denn die USA sind die bei Weitem größte Volkswirtschaft der Welt. Zahlungsprobleme würden das gesamte Weltfinanzsystem in seinen Grundfesten erschüttern.

Bernanke urgierte eine „bedeutende Änderung“ der amerikanischen Finanzpolitik. Wenn der finanzpolitische Kurs nicht radikal geändert wird, werde das Defizit selbst im Fall einer völligen Normalisierung der Wirtschaftslage „auf einer unhaltbaren Höhe bleiben oder sogar weiterwachsen“. Der politische Wille, die Probleme in den Griff zu bekommen, werde entscheidend sein.

Von ihrer Niedrigzinspolitik will die Fed nicht abrücken: Die US-Wirtschaft benötige weiter Unterstützung. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit bleibe ein Problem. Nach jüngsten Daten ist die Arbeitslosigkeit im Jänner zwar erneut gesunken. Sie liegt mit neun Prozent für amerikanische Verhältnisse aber noch ungewöhnlich hoch. 13,9 Millionen Amerikaner suchen derzeit einen Job.

Fed ist größter US-Gläubiger

Die Niedrigzinspolitik der Fed beginnt aber selbst zum ernsten Problem für die USA zu werden: Die Notenbank tätigt in großem Stil Stützungskäufe von amerikanischen Staatsanleihen. Und die haben zuletzt ein erschreckendes Volumen erreicht: Mit einem Staatsanleihen-Portefeuille von 1100 Mrd. Dollar ist die Fed nach Berechnungen der „Financial Times“ zum größten Gläubiger der USA geworden. Noch vor China und Japan. Weil das „Quantitative Easing“-Programm der Fed in vollem Umfang weitergefahren wird, könnte die Fed bis zum Sommer bereits US-Staatsanleihen im Ausmaß von 1600 Mrd. Euro halten. Für die Regierung ist das eine extrem günstige Art des Schuldenmachens: Die Fed führt ihre Gewinne an das US-Finanzministerium ab. Die Zinsen, die für diesen Teil der Staatsschuld bezahlt werden, fließen damit zum großen Teil wieder an den Staat zurück. Allerdings entspricht diese „Luftnummer“ (der Staat verschuldet sich de facto bei sich selbst) eins zu eins einem Anwerfen der Notenpresse, was mittelfristig notwendigerweise zu sehr hohen Inflationsraten führen muss.

Zum ernsten Problem könnte dies werden, falls es im Zug der anhaltenden Schuldenkrise zu einer Abwertung von US-Anleihen kommt: Dann würde die Fed in Konkursgefahr rutschen.

Dagegen hat sich die amerikanische Notenbank erst vor wenigen Tagen abgesichert: Nach Angaben des amerikanischen Finanz-TV-Senders CNBC hat die Fed in ihren Finanzausweis neuerdings eine Klausel eingebaut, die es ermöglicht, künftige Verluste des amerikanischen Zentralbanksystems nicht als Verbindlichkeit gegen das Kapital der Notenbank, sondern als Verbindlichkeit gegen das US-Finanzministerium zu buchen. Ein Rückfall des Eigenkapitals in den negativen Bereich (und damit Insolvenzgefahr) wird mit dieser „Tarnkappen-Bilanzierung“ unmöglich.

Die Schuldenquote der USA geht auf 100 Prozent zu, das Defizit liegt bei neun Prozent des BIPs. Notenbankchef Bernanke warnt nun, die größte Volkswirtschaft der Welt könne eine gigantische Schuldenkrise nur vermeiden, wenn es möglichst rasch zu einer umfassenden Neuorientierung der Finanzpolitik komme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2011)

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