"Madame Fauxpas" überlebt Tunesien-Desaster

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Trotz umstrittener Nähe zum Clan von Tunesiens gestürzten Diktator Ben Ali muss die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie nicht zurücktreten. Der Fall ist abgeschlossen“, so Sarkozy-Sprecher Baroin.

Paris. Es ist noch einmal gut gegangen: Die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie – böse Zungen nennen sie auch „Madame Fauxpas“ – muss nun doch nicht wegen ihrer nicht ganz politisch korrekten Weihnachtsferien in Tunesien zurücktreten.

Demonstrativ empfing die Außenministerin gestern in Paris ihren neuen tunesischen Amtskollegen, Ahmed Ounis. Und tat ganz so, als ob sie sich immer einen Regimewechsel gewünscht hätte. Premier François Fillon und Präsident Nicolas Sarkozy hatten sich zuvor hinter die Ministerin gestellt. „Das ist ein Mikro-Event. Der Fall ist abgeschlossen“, so Sarkozy-Sprecher François Baroin. Die Ministerin habe ihr Fehlverhalten eingesehen.

Die Details zum „Mikro-Event“: Den Urlaub hatte Alliot-Marie mit ihren Eltern und ihrem Partner in der Exkolonie verbracht: Dort wurden sie von einem tunesischen Geschäftsmann, einem Vertrauten des nun gestürzten Diktators Ben Ali, zu einer Privatjet-Tour eingeladen. Und dies, als die Proteste gegen das Regime voll im Gange waren. Durch ihr Verhalten während des Aufstands habe sie „dem Ansehen Frankreichs in der Welt geschadet“, tobte der Sprecher der oppositionellen Sozialisten, Jean-Marc Ayrault.

Marie-Alliot selbst hat wohl gegenüber ihren Chefs ein „mea culpa“ geäußert, öffentlich hat sie aber nichts bereut. In einer TV-Ansprache bezeichnete sich die Ministerin als „Opfer bösartiger Anschuldigungen“. An die Unruhen in ihrem Urlaubsziel Tunesien konnte sie sich nicht erinnern. Zudem verteidigte sie ihren Gastgeber, den tunesischen Geschäftsmann Aziz Miled. Der Milliardär sei ein „bemitleidenswertes Opfer des Regimes“ gewesen: Unter anderem habe die Regierung ihn gezwungen, Ben Alis Schwager Belhassen Trabelsi als Partner seiner Fluggesellschaft Nouvelair zu akzeptieren.

Viele Tunesier sehen das anders: Miled sei wohl wie andere auch zur Kasse gebeten worden, er verdanke aber dennoch seinen Erfolg den Beziehungen zum Clan Ben Alis, bloggten tunesische Kommentatoren zur Affäre.

Tatsächlich steht auch Mileds Name auf der Liste von rund dreißig tunesischen Persönlichkeiten, deren Guthaben und Vermögenswerte in der Schweiz vorläufig blockiert werden. Zudem war der Geschäftsmann persönlich von Ben Ali mit einem Verdienstorden ausgezeichnet worden.

Eigentlich hat Sarkozy erst vor wenigen Monaten mediengerecht gefordert, seine Regierungsmitglieder müssten über jeden Verdacht von Interessenkonflikten oder Bestechlichkeit erhaben sein. Damals hat er einen Staatssekretär feuern müssen, nachdem Medien aufgedeckt hatten, dass dieser seine teuren Zigarren mit französischen Steuergeldern finanzierte.

Doch der Präsident möchte jetzt mit allen Mitteln vermeiden, dass die engen Beziehungen zum autoritären Ben-Ali-Regime zur Staatsaffäre werden. Erst in der vergangenen Woche hat Paris demonstrativ seinen Botschafter in Tunis ausgetauscht und eingestanden, die Situation, die zum Rücktritt Ben Alis geführt habe, „unterschätzt zu haben“.

Tränengas aus Paris für Ben Ali

Unter Druck war die Regierung Sarkozy – und allen voran die Außenministerin – wegen ihres Tunesien-Kurses bereits vor einigen Wochen geraten: Am 11. Jänner, also kurz vor dem Sturz des Ben-Ali-Regimes, hatte Alliot-Marie dem Präsidenten Hilfe bei den polizeilichen Einsätzen gegen die Demonstranten angeboten.

Noch zwei Tage vor Ben Alis Flucht am 14. Jänner hat sie die Lieferung von Tränengasgranaten in die Exkolonie genehmigt.

Die Lieferung wurde auf dem Flughafen blockiert: nicht etwa, weil es sich die Ministerin noch einmal gut überlegt hatte. Sondern wegen Unstimmigkeiten in der Zollerklärung. Dass die Opposition ihr das später vorgeworfen und lautstark ihren Rücktritt gefordert hat, bezeichnet Alliot-Marie empört als „extravagant“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 5. Februar 2011)

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