Siege und Niederlagen: die Französische Revolution als die Mutter aller Revolutionen und ihre Folgen für die Zukunft. Wie heute Hosni Mubarak verlor auch damals der König die Macht, blieb formell aber im Amt.
Am Anfang stand ein horrendes Budgetdefizit. Die Unterstützung der Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg gegen England – auch eine Revolution – hatte für den französischen König mit einem Pyrrhussieg geendet. Die Schlacht war zwar gewonnen, doch der Preis enorm, der Staatsbankrott drohte. Das Volk hungerte, der König feierte aber weiter – die Wutbürger gingen auf die Barrikaden. Ludwig XVI. musste die Generalstände einberufen. Und die Vertreter des dritten Standes, des Bürgertums, nutzten die Gunst der Stunde. Sie machten sich mit ihrer „Nationalversammlung“ selbstständig und erhoben sich mit der Forderung nach einer neuen Verfassung.
Die Französische Revolution, die Mutter aller Revolutionen der Neuzeit, hatte begonnen. Mit dem symbolischen Akt des „Sturms auf die Bastille“ am 14. Juli 1789 als erstem Höhepunkt. Wie heute Hosni Mubarak verlor der König die Macht, blieb formell aber im Amt – er wurde erst 1793 enthauptet.
Diese anfangs bürgerliche Revolution war „work in progress“, eine Umwälzung in Permanenz, bei der sich zwei Gruppen gegenüberstanden. Die moderaten Girondisten und die radikalen Jakobiner, die sich gemeinsam mit den Sansculotten – Arbeitern, kleinen Handwerkern, Tagelöhnern – für deren vierten Stand engagierten. Der Sieg der linken Jakobiner über die rechten Girondisten währte nicht lange. Mit dem Sturz des Terrorregimes des Jakobiners Maximilian Robespierres übernahm wieder der Mittelstand die Macht, ein fünfköpfiges Direktorium wurde eingerichtet, das dann von Napoleon Bonaparte gestürzt wurde. Frankreich wurde ein Kaiserreich. Doch weitere Revolutionen wie jene vom Juli 1830 sollten folgen.
Wenn man die aktuellen Ereignisse historisch einordnen will, bieten sich am ehesten die Revolutionen von 1848 an. So wie heute in den arabischen Ländern sprang damals der Revolutionsfunke von einem europäischen Land auf das andere über. Ausgehend wiederum von Paris, wurde alsbald auch Wien revolutionäres Zentrum. Bürger, Studenten und Arbeiter standen Seite an Seite an den Barrikaden, auch fortschrittliche Adelige – wie Erzherzog Johann – schlossen sich an. Kaiser Ferdinand I. floh. Doch mithilfe von Truppen von außen wie den kroatischen unter Josip Jelačić gelang die Konterrevolution. Nach einer Phase des Neoabsolutismus wurde das Bürgertum mit Zugeständnissen geködert. Ein Parlament wurde eingerichtet, wählen durften aber nur jene, die genügend Steuern zahlten.
Auch in Russland war die bürgerlich geprägte Revolution von 1905 gescheitert. Der Zar ließ sie brutal niederschlagen, machte dem Bürgertum aber kleine Zugeständnisse, die er später wieder zurücknahm. Dies führte im Volk zu einer weiteren inneren Abkehr vom Regime und einer zunehmenden Radikalisierung, sodass in der „Oktoberrevolution“ von 1917 die Bolschewiken über die bürgerlichen Revolutionäre, die den Zaren abgesetzt hatten, siegten. Es war eine Art Staatsstreich nach der eigentlichen Revolution. Eine Analogie zur Französischen Revolution.
Es sollte bis 1989 dauern, ehe die bürgerlichen Kräfte den Kommunismus überwinden konnten. Ausgehend von der weitgehend im Parteiapparat der KP selbst verlaufenen Transformation in Ungarn, kam es in der DDR zur Volkserhebung, die sich auf den übrigen Ostblock ausbreitete – die „samtene Revolution“, wie sie in der CSSR genannt wurde, fegte diesen weg.
Sonderfall England
Ein Sonderfall war England: Als Frankreich seine politische Revolution erlebte, vollzog sich dort die industrielle. Der Siegeszug des Kapitalismus begann, denn das englische Bürgertum hatte sich jene Rechte schon erstritten, um die die Franzosen gerade kämpften. In der „Glorious Revolution“ von 1688 hatte der König Macht an Adel und Bürgertum abgetreten. Das Parlament bestimmte fortan die Geschicke des Landes entscheidend mit – die Grundlage für die heutige konstitutionelle Monarchie. Der König teilte und herrschte, fortan aber als einer von Volkes Gnaden. Eine Taktik wie sie derzeit auch König Abdullah von Jordanien anwendet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2011)