Bascha Mika: Zu feig für die Macht

Bascha Mika, Ex-Chefredakteurin der "taz",wirft in ihrem neuen Buch Frauen Bequemlichkeit vor.

Ihr Buch heißt „Die Feigheit der Frauen“. Worin liegt die?

Bascha Mika: Feige sind für mich Frauen, wenn sie einerseits sagen, ich will ein selbstbestimmtes Leben, ich will unabhängig, frei und gleich sein, wenn sie so einen Lebensentwurf haben, aber dann in traditionelle weibliche Rollen verfallen. Diese Rollen haben eine wahnsinnige Sogkraft und es gibt auch den gesellschaftlichen Druck, sie zu erfüllen. Um sich den Rollen zu verweigern, müssten Frauen in Konflikte eintreten. Aber diese Konflikte scheuen sie.

Auch weil sie Ihnen zufolge „Komplizinnen des Systems“ sind. Was ist denn der Profit?

Zum Beispiel Versorgung. Wir können es uns, wenn wir wollen, im Männersystem bequem machen. Wir überlassen dem Mann das anstrengende Arbeitsfeld draußen und ziehen uns ins häusliche Umfeld zurück. Es ist nicht so, dass Haus- und Kinderarbeit immer einfach sind, aber wir glauben, wir können es uns wenigstens selbst einrichten und müssen nicht mit Chefs und Kollegen streiten. Wir haben diese Fluchtmöglichkeit. Männer nicht.

Und trotzdem sind Sie für eine Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände?

Selbstverständlich, und zwar für 50:50. Solange Frauen benachteiligt sind, brauchen wir Unterstützung. Männer haben ja auch die ihre. Sie nennen das halt nicht Quote, dort sind das Netzwerke, Selbstverständnisrituale.

Aber ist das nicht ein Widerspruch? Einerseits sagen Sie, Frauen wollen nicht wirklich an die Macht, auf der anderen Seite soll man sie per Gesetz dazu zwingen?

Das ist überhaupt kein Widerspruch! Ich gehe davon aus, dass unser Ziel eine gleichberechtigte Gesellschaft ist. Wenn wir die wollen, müssen wir einerseits an den Strukturen arbeiten und andererseits unser Handeln ändern. Zu ihrer Veränderung brauchen Frauen Ermutigung. Und es ist eine wahnsinnige Ermutigung, wenn man weiß, dass man als Frau, die Karriere machen will, nicht an der gläsernen Decke zerschellt.


Sie selbst waren bei der „taz“ eine Quotenfrau. Hatten Sie mit dem Wort ein Problem?

Überhaupt nicht. Ich war stolz, dass die taz der erste quotierte Betrieb in der Bundesrepublik war, und zwar 50:50.

Sie schreiben, Frauen gestehen sich ihren Anteil an der Verantwortung für ihre Lage nicht ein, weil sie Männern den moralischen Sieg nicht gönnen. Inwiefern?

Ich glaube, dass dieser Perspektivenwechsel – also welchen Anteil wir selbst haben – bisher keine Rolle gespielt hat, weil Frauen Angst haben, dass daraus der Schluss gezogen würde, die Strukturen sind o.k. und es ist nur die Schuld der Frauen. Aber das ist Unsinn.

Wie groß ist das Ausmaß der eigenen Verantwortung beziehungsweise – das korrespondiert ja – der Entscheidungsfreiheit?

Ich könnte keinen prozentualen Anteil nennen, das wäre auch Quatsch. Zur Freiheit: Natürlich gibt es den Sog zu den alten Rollen und viele Hindernisse für Frauen. Aber: Wir leben nicht mehr in einem Zwangssystem. Wir können nicht den Anspruch vor uns hertragen, frei und gleich zu sein, und dann behaupten, es ginge doch gar nicht anders, weil die Zwänge zu stark sind.

Wo wir von Freiheit reden: Sie vergleichen Ehefrauen, die nicht arbeiten, mit parasitären Existenzen. Ist es nicht legitim, sich für ein Leben als Hausfrau entscheiden?

Stop! Diese Passage bezieht sich überhaupt nicht auf alle Ehefrauen, sondern nur auf eine besonders kleine Gruppe. Wenn eine Frau entscheidet: Mein Leben wird schön und erfüllt, indem ich mich auf Haus, Kinder und Mann konzentriere, ist das völlig in Ordnung. Ich glaube sogar, dass Frauen, die so etwas von Anfang an wollen, eine gute Chance haben, glücklich zu werden. Aber um diese Frauen geht es mir nicht, sondern um die, die sagen, wir wollen selbstbestimmt und gleich sein, und es dann nicht sind.

Die „Latte-Macchiato-Mütter“. So nennen Sie Frauen mit gut verdienendem Partner, die neben der Kinderbetreuung ein wenig arbeiten und sonst Yoga machen und Kaffee trinken. Ehrlich, das klingt nicht so schlecht.

Ich verstehe das Bedürfnis nach Bequemlichkeit. Aber diese Frauen begeben sich in absolute Abhängigkeit. Das sind Frauen, die eine sehr gute Ausbildung haben, die andere Lebensziele hatten. Sobald der Mann als Versorger wegbricht, stehen sie mit nichts da, weil sich in Deutschland auch das Versorgungsrecht nach Scheidungen geändert hat. Häufig haben die Frauen so lange im Beruf ausgesetzt, dass sie nicht mehr anknüpfen können, nur mehr in einem weniger qualifizierten Bereich.

Die Provokation einiger Ihrer Formulierungen – ist das Verkaufskalkül?

Ich will eine Debatte anstoßen, und dazu braucht es Provokation. Aber die ist nicht Kalkül, die kommt aus einem Zorn, der mich schon lange treibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2011)

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