Österreichische Schüler haben wenig Ahnung von Wirtschaft. An der HAK 10 in Wien lernen sie spielerisch, wie eine Volkswirtschaft funktioniert. Und erreichen ein Budgetplus.
Wien/Beba. Das Land ist an einem Wendepunkt. Knapp ist es einem Aktiencrash entkommen, die riskanten Investitionen in grüne Energien zeigen endlich Wirkung. Die 17 Schülerinnen der 4BK der HAK Wien 1110, die in der Bibliothek um einen großen Spielplan sitzen, atmen erleichtert auf. Schon den ganzen Tag versuchen sie, das virtuelle Land „Eco-Mania“ auf Kurs zu bringen. Und das ist nicht leicht, denn die Interessen der verschiedenen Gruppen – Haushalte, Unternehmer und Regierung – gehen weit auseinander, wie den Schülerinnen mehr und mehr klar wird.
„Am Anfang hat jeder einfach irgendetwas gemacht“, sagt die 18-jährige Gamze Koctürk, auf deren Pullover ein Schild mit der Aufschrift „Finanzminister“ geheftet ist. „Jetzt schauen wir, dass es ein Gleichgewicht gibt“, fügt ihre Pressesprecherin, die 17-jährige Birgit Krampf, hinzu. Das hehre Ziel der Regierung: „Wohlstand für alle.“ Derzeit sieht es gut aus: Der Arbeitsmarkt hat die Arbeitskräfte aufgesaugt wie dereinst in den 1970er-Jahren.
Statt Schulden hat die die Regierung dabei aber sogar ein Budgetplus gemacht. Nur die Unternehmen haben ein Problem. „Wir müssen die Preise erhöhen“, kündigt eine blonde Schülerin an und blickt skeptisch in Richtung der Gruppe, die die Haushalte vertritt. Denn sie weiß mittlerweile: Kaum steigen die Preise, kommt die Gewerkschaft mit Lohnforderungen an. „Aber was sollen wir tun“, sagt sie verzweifelt: „Wir sind pleite.“
Mehr Wirtschaftskompetenz
„Die Schüler sollen die Gelegenheit bekommen, sich auf andere Art und Weise mit Wirtschaft auseinander zu setzen“, sagt Lehrerin Döris Zöser, die gemeinsam mit Kollegen die Projektwoche zu „Entrepreneurship & Wirtschaftskompetenz“ organisiert hat. Sie sollen lernen, wie sie sich selbst vermarkten, wie man Produkte verkauft, die man nicht angreifen kann oder – wie eben bei „Eco-Mania“ – wie eine Volkswirtschaft wirklich funktioniert.
Das ist dringend notwendig: Laut einer Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) haben viele österreichische Schüler kaum Ahnung von Wirtschaft. Auch unter HAK-Schülern haben rund 15Prozent nur ein mangelhaftes Wirtschaftswissen.
Heiße Lohnverhandlungen
Es geht heiß her in der Bibliothek. Auch nach Stunden feilschen Unternehmer und Gewerkschaft immer noch um jeden Prozentpunkt. Schließlich spricht die Sozialministerin ein Machtwort: Lohnerhöhung auf 1300 „Eco“. Nächste Runde: Die Pensionsverhandlungen – die wesentlich glatter verlaufen als in der Realität. Ein Handshake zwischen Pensionistenvertreterin und Ministerin, und das Spiel kann in die letzte Runde gehen.
Als die sieben Stunden vorüber sind, sind die Schülerinnen erschöpft, aber zufrieden mit der Bilanz: Das Budget ist saniert, das Wirtschaftswachstum liegt bei 19,2Prozent. Spielleiter und „Eco-Mania“-Macher Stefan Föger: „Zum Schluss hat sich die Regierung geoutet: als tiefschwarz.“ Die Finanzministerin widerspricht: „Ich nicht. Ich bin rot. Aber ich konnte mich gegen meine Regierungskollegen nicht durchsetzen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2011)