Mutter lehnte OP für Sohn ab, Vater muss mehr zahlen

Unterhalt. Kind benötigt nun Pflege, weil die Mutter einst gegen die Operation war. Vater klagt vergeblich die Ärzte.

Wien/Aich. Ein Kind benötigt eine wichtige Operation, die erziehungsberechtigte Mutter sagt trotzdem Nein. Jahre später müssen deswegen besondere Aufwendungen für das Kind getätigt werden. Denn der versäumte ärztliche Eingriff hat zur Folge, dass der Sohn nun gepflegt werden muss. Für die dadurch entstehenden Mehrkosten wird der unterhaltspflichtige Vater zur Kasse gebeten. Kann sich der Mann bei den Medizinern schadlos halten, weil diese die dringende Operation auch gegen den Willen der Mutter hätten durchführen sollen?

Diese Frage galt es in einem Prozess zu klären. Und das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) drehte sich vor allem um das Thema, wann denn der Vater die Gerichte hätte anrufen müssen. Bereits in den 1990er-Jahren, als klar war, dass das Kind einer Hodenoperation sowie einer Hormonbehandlung unterzogen werden sollte? Oder doch erst nun, als klar wurde, dass der Mann mehr Unterhalt für den jetzt pflegebedürftigen Sohn leisten sollte? Die Frage ist wichtig, weil die Verjährungsfristen vorsehen, dass man spätestens drei Jahre nach Wissen von Schaden und Schädiger Klage erheben muss. Der Vater klagte aber erst, als der Unterhalt höher wurde. Belangt wurde die Anstalt der damaligen Kinderärzte sowie ein Arzt persönlich.

Das Grazer Landesgericht für Zivilrechtssachen und das Oberlandesgericht Graz ließen den Mann abblitzen: Man könne den Ärzten die Folgen der unterbliebenen Operation nicht zurechnen. Denn die Mutter als Rechtsvertreterin des Kindes habe autonom dem ärztlichen Eingriff im Jahr 1993 widersprochen. Überdies sei der Anspruch verjährt. Dagegen wandte sich der Vater an den OGH: Für ihn als Laien sei der Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Operation sowie der Hormontherapie und dem höheren Unterhalt erst 2007 ersichtlich gewesen. Damals startete die Behandlung des Sohnes. Nicht die Hodenfehlstellung an sich, sondern die nunmehrigen Mehraufwendungen würden den Schaden darstellen, betonte der Vater. Die Schadenersatzansprüche seien somit nicht verjährt.

Ansprüche bereits verjährt

Der OGH entschied aber gegen den Vater. Denn entscheidend sei, wann der sogenannte „Primärschaden“ entstanden sei. Diesen müsse man innerhalb der Verjährungsfrist mit einer Feststellungsklage konstatieren lassen. Nun sei bei dem Kind aber von Geburt an klar gewesen, dass es ständige Förderung und eine überdurchschnittliche Betreuung im medizinischen Bereich benötige. Seit 1993 habe der Vater auch gewusst, dass der operative Eingriff getätigt werden müsse. Bereits damals sei der Primärschaden eingetreten, der nun zum Mehrbedarf für den Unterhalt führte. „Dieser leicht erfassbare Zusammenhang musste dem Kläger schon im Jahr 1993 bekannt sein“, meinte der OGH (3 Ob 192/10x). Somit liegt Verjährung vor, und der Mann ist schon aus diesem Grund mit seiner Klage gescheitert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2011)

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