Vater darf Adresse seines Kindes nicht erfahren

Recht Vater darf Adresse
Recht Vater darf Adresse(c) Illustration Vinzenz Schüller
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Nach der Verurteilung Österreichs durch den EGMR dürften die Rechte von Vätern gestärkt werden. Aktuelle Gerichtsfälle zeigen, woran ein Kontakt zu beiden Elternteilen scheitern kann.

Wien. Die Verantwortung beider Elternteile solle generell gestärkt werden. Das erklärte das Justizministerium als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Vorwoche. Österreich war verurteilt worden, weil das Sorgerecht bei unehelichen Kindern automatisch der Mutter zusteht. Aktuelle Fälle zeigen, wie intensiv bei unehelichen und bei ehelichen Kindern um das Sorgerecht gestritten wird.

Hat ein Vater ein grundlegendes Recht darauf, die Wohnadresse seines Kindes zu erfahren? Diese Frage hatte der Oberste Gerichtshof zu klären. Der Vater war bereits zuvor im Streit um das Sorgerecht für seine eheliche Tochter unterlegen. Dieses hatte die Mutter erhalten. Die Gerichte entschieden überdies, dass dem Vater kein Besuchsrecht zustehe. Auch seine Forderung nach einem „bloß kurzfristigen, einmaligen und begleiteten Besuchsrecht“ wurde abgewiesen.

Nun wünschte der Mann von der Mutter, sie solle ihn zumindest über das Leben der Tochter informieren und deren Wohnadresse bekannt geben. Die Mutter berichtete darauf aus dem Leben des minderjährigen Kindes, informierte über den Gesundheitszustand und legte die letzten Schulzeugnisse vor. Die Wohnadresse des Kindes wollte die Mutter aber nicht verraten. Sie fürchte nämlich, dass der Vater die Tochter aufsuche.

Das Bezirksgericht Wien-Innere Stadt wies den Antrag des Vaters ab. Sein bisheriges Verhalten würde nämlich tatsächlich den Schluss nahelegen, dass dieser versuche, das Kind zu treffen, sobald er über die Wohnadresse verfüge. Und ein derartiges „unvorbereitetes Zusammentreffen zwischen dem Vater und der Minderjährigen würde den psychischen Zustand der Minderjährigen beeinträchtigen“, erklärte das Gericht. Denn bereits in der Vergangenheit habe das „Auftauchen“ des Vaters in der Ehewohnung große Ängste beim Kind ausgelöst. Schon zweimal habe der Mann, obwohl er von den Behörden aus der Wohnung gewiesen wurde, versucht, wieder dorthin zurückzukommen. Dazu komme die Alkoholabhängigkeit, unter der der Vater leide.

Die zweite Instanz, das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen, bestätigte dieses Urteil im Wesentlichen. Es trug der Mutter bloß auf zu verraten, in welchem Bezirksgerichtssprengel das Kind wohne. Nun wandte sich der Vater an den Obersten Gerichtshof (OGH). Der Mann erklärte, dass der Wohnsitz des Kindes zu den „rudimentärsten Informationsrechten eines Elternteils“ gehöre. Er habe überdies niemals Übergriffe auf das Kind getätigt, der Tochter werde vielmehr von der Mutter „ein paranoides Weltbild überbunden“. Und rein abstrakte Gefährdungsmöglichkeiten des Kindes würden es nicht einmal rechtfertigen, ein Besuchsrecht auszusetzen, geschweige denn den Wohnsitz zu verheimlichen. Der OGH gestand zwar ein, dass die Wohnadresse zu den zentralen Informationspflichten für einen Elternteil gehöre. Dieses Recht sei aber kein Selbstzweck, sondern solle nur dazu dienen, den persönlichen Kontakt zum Kind zu ermöglichen.

OGH: Information wäre zwecklos

Da dem Vater aber zurzeit kein Besuchsrecht zustehe, wäre die Kenntnis der Wohnadresse für ihn zwecklos, meinten die Höchstrichter. Und „zu welchem anderen Zweck aber die Kenntnis des Wohnsitzes dienen soll, bleibt im Dunkeln“ (2 Ob 223/10y). Es sei somit gerechtfertigt, einem Elternteil, dem der Kontakt zum Kind wegen seines persönlichen Verhaltens verboten wurde, die Adresse des Nachwuchses zu verweigern. Die Entscheidung der Vorinstanzen wurde bestätigt, die Mutter darf den Wohnsitz des Kindes weiter geheim halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2011)

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