Nach Streit: Obsorge ganz oder gar nicht

Scheidungskinder. Der OGH stellt klar: Wird das gemeinsame Sorgerecht aufgehoben, dann ist es nicht mehr möglich, dass ein Elternteil bloß Rechte in Teilbereichen erhält.

Wien/Aich. Wenn sich Eltern über die gemeinsame Obsorge für ein Scheidungskind nicht mehr einig sind, bleibt nur eines: Ein Gericht muss das Sorgerecht zur Gänze einem Elternteil zusprechen. Differenzierungen, wonach etwa der Vater für bestimmte Sorgerechtsbereiche zuständig ist und die Mutter für andere, sind nicht möglich. Das zeigt eine Entscheidung des Höchstgerichts, das den Vorinstanzen klar widersprochen hat.

Nach der Scheidung im Jahr 2005 vereinbarten die Eltern zunächst die gemeinsame Obsorge. Der Sohn sollte bei der Mutter leben. Die Ausübung des Besuchsrechts des Vaters stieß in der Praxis aber immer wieder auf Probleme, auch sonst gab es Differenzen zwischen den Elternteilen. Schließlich reichte es dem Vater: Er beantragte vor Gericht, dass ihm die alleinige Obsorge für den Teilbereich „Pflege und Erziehung“ des Kindes übertragen werde. Das Bezirksgericht Rohrbach gab dem Antrag des Vaters statt, das Landesgericht Linz bestätigte die Entscheidung. Es begründete sein Urteil vor allem mit dem Wunsch des Sohnes. Dieser wollte zum Vater „wechseln“.

Definition im ABGB entscheidend

Der Oberste Gerichtshof (OGH) machte aber den Vorinstanzen einen Strich durch die Rechnung. Diese hätten nämlich das Gesetz falsch verstanden. Zwar könne man bei der (freiwilligen) gemeinsamen Obsorge vereinbaren, dass ein Elternteil nur für bestimmte Teilbereiche zuständig sein soll. Wenn die Vereinbarung aber nicht funktioniere und ein Gericht entscheiden müsse, so könne das Sorgerecht nur voll oder gar nicht auf einen Elternteil übergehen.

Der OGH verwies auf die Definition von Obsorge in § 144 ABGB: Demnach bedeute Obsorge, dass die Eltern das Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten sowie das Kind in allen anderen Angelegenheit zu vertreten haben. Wenn das Gesetz an anderen Stellen von Obsorge spreche, meine es immer alle Teilbereiche zusammen, so der OGH (5 Ob 202/10g). Zwischen Vater und Mutter ist somit nur ein Prozess um alles oder gar nichts möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2011)

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