Vor 18 Jahren wurde Silke Schnabel umgebracht. Seit Montag wird der Prozess gegen einen Verdächtigen neu aufgerollt. Mangels Beweisen wurde er schon einmal freigesprochen, nun sagt er nichts.
[SALZBURG] Der bullige Mann mit den dunklen Haaren sitzt zusammengesunken da. Den Ansturm an Fotografen lässt er über sich ergehen. Er wirkt, als würde er das, was um ihn geschieht, kaum wahrnehmen. Anton W., 52-jähriger Arbeiter aus Salzburg, muss sich seit Montag wegen Vergewaltigung und Mordes vor einem Geschworenengericht verantworten.
Die Anklage wirft ihm vor, am 11. Juli 1992 die damals 17-jährige Silke Schnabel vergewaltigt, erwürgt und in die Salzach geworfen zu haben. Schon bald richtete sich der Verdacht gegen ihn, mangels Beweisen wurde das Verfahren aber 1993 eingestellt.
Nachdem Staatsanwalt Andreas Allex die Anklage vorgetragen hatte und Verteidiger Karl Wampl die Vorwürfe zu entlasten suchte, schwieg der Angeklagte: „Ich war es nicht, ich sag nichts mehr dazu.“ Er habe das Geschehene vergessen, verdrängt. Das wollte der Richter nicht glauben, weil der Angeklagte erst kürzlich ein Interview zur Causa gegeben hatte. „Die Medien entscheiden nicht über Ihre Schuld oder Unschuld. Das machen die Damen und Herren auf der Geschworenenbank, denen sollten sie Ihre Sicht darlegen“, riet der Richter.
Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall trotz eines Mangels an konkreten Beweisen klar: W. war mit dem Opfer, das er im Animierlokal „Max und Moritz“ kennengelernt hatte, am Morgen des 11. Juli 1992 an die Salzach gegangen, hatte sie dort vergewaltigt, erwürgt und in den Fluss geworfen.
Zehn Tage später wurde ihre Leiche bei Ranshofen aus dem Inn gezogen. Nach der Tat habe sich W. an der Salzach zum Schlafen niedergelegt. Dort war er halb nackt von einer Zeugin gefunden worden, die die Polizei rief, weil sie glaubte, dass der regungslos daliegende Mann das Opfer eines Verbrechens geworden war.
Drohung oder Geständnis?
Eine Bluse des Opfers sowie ein Gürtel mit Blutspuren, die man in der Wohnung des Mannes fand, seien weitere Mosaiksteinchen, so der Staatsanwalt. Für Verteidiger Wampl sind all das keine Beweise. Es wäre völlig ausgeschlossen, dass sich der Täter nach einem Gewaltverbrechen am Tatort schlafen lege. „Das gibt es nicht, jeder hat einen Fluchtreflex.“
Für die Verteidigung ist auch jene Zeugin, die 2008 zu neuen Ermittlungen und einer Anklage geführt hat, völlig unglaubwürdig. Sie will gehört haben, wie der Angeklagte in einem Lokal auf die Aufforderung „Verschwinde, du Mörder“ mit „Halts die Goschn, sonst geht's euch wie da Silke“ geantwortet hat. So ein Satz könne als „blöde Anmache oder Drohung“ verstanden werden – nicht als Mordgeständnis, so Wampl. Der Prozess ist bis Freitag anberaumt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 8. 8. 2011)