Experten bezweifeln Sinn von Integrationsplan

Experten bezweifeln Sinn Integrationsplan
Experten bezweifeln Sinn Integrationsplan(c) EPA (Hans Klaus Techt)
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Der Nationale Aktionsplan des Innenministeriums soll konkrete Maßnahmen bringen, aber die Experten zweifeln. Das Hauptargument der Kritiker des Projekts ist, dass der Integrationsbereich überdiagnostiziert sei.

Wien. „Perspektivlosigkeit“ – das ist ein Reizwort, das im Zusammenhang mit jungen Migranten immer wieder genannt wird. Es muss nicht gleich zu Protestwellen führen, wie zuletzt in Tunesien und Ägypten, doch auch in Österreich ist das Problem bekannt.

Eine der jüngsten Maßnahmen, diese Perspektivlosigkeit zu bekämpfen, wurde vergangenes Jahr mit dem Nationalen Aktionsplan für Integration (NAP), einer Initiative des Innenministeriums, geschaffen. Dahinter steckt die Idee, die Arbeit mehrerer Beiräte und Institutionen zu koordinieren, die sich mit dem Thema Integration beschäftigen.

Allerdings: Die Arbeitsweise ist unübersichtlich und die Umsetzbarkeit der Vorschläge unklar. So gibt es etwa im NAP eine Steuerungsgruppe mit dem Namen „Integrationsbeirat“, in der Einzelvertreter aus allen Ministerien und Bundesländern sowie einer Vielzahl von Institutionen und Vereinen sitzen. Dieser Beirat wiederum sollte die Vorschläge diskutieren, die der Expertenbeirat liefert – dieses erst kürzlich präsentierte Gremium versammelt Experten aus verschiedenen Bereichen, die konkrete Maßnahmen erarbeiten sollen. „Die Maßnahmen werden daraufhin über den Sommer gebündelt und im Herbst dem Ministerrat vorgelegt“, heißt es aus dem Innenministerium.

Falsches Ministerium

Sozialwissenschaftler Kenan Güngör, der selbst Teil des Expertenbeirats ist, sieht das größte Problem bei der Umsetzung der Vorschläge darin, dass „70Prozent der Maßnahmen andere Ministerien betreffen“. Für ihn sollte der NAP „im Bundeskanzleramt und nicht im Innenministerium angesiedelt werden“. Ähnlich sieht es die Migrationssprecherin der Grünen, Alev Korun, die den NAP als „Sprechblase“ bezeichnet. Sie erinnert sich an den Integrationsbericht des ehemaligen Innenminister Günther Platter im Jahr 2008: „Aus dem 216 Seiten langen Integrationsbericht mit einigen guten Vorschlägen ist nichts umgesetzt worden. Jetzt soll man einen neuen Bericht erstellen?“

Das Hauptargument der Kritiker des Projekts ist, dass der Integrationsbereich überdiagnostiziert sei – es gebe viele Berichte, aber alle Maßnahmen scheitern an der Umsetzung. Für Ministeriumssprecher Rudolf Gollia ist die „Koordination der verschiedenen Arbeitsgruppen die Hauptaufgabe“ seines Ressorts – „die Umsetzung der Vorschläge fällt in die Zuständigkeit der jeweiligen Ministerien“.

Eine Frage bleibt noch offen: warum wurde der Expertenbeirat erst ein Jahr nach der Vorstellung des NAP gegründet? Es stimmt zwar, dass seit dem letzten Jahr und in regelmäßigen Abständen sogenannte „Expertengespräche“ mit einigen Zivil- und Regierungsvertretern durchgeführt wurden. Der eigentliche Expertenbeirat hat hingegen lange Zeit auf sich warten lassen. Für Kenan Güngör ist deswegen eine Prise „Skepsis“ angebracht. Er möchte bis zum Sommer warten, um zu beurteilen, ob der Nationale Aktionsplan für Integration „etwas Reales oder doch nur ein Feigenblatt für die Regierung ist“, denn sonst steht er „nicht mehr für solche Vorhaben zu Verfügung“.

Nur guter Wille?

Grünenpolitikerin Korun attestiert zwar „einen guten Willen bei solchen Initiativen“, beklagt sich aber, dass „trotzdem bis jetzt nichts passiert“ sei. Wichtige Themen für Migranten und Österreicher – wie etwa die Anerkennung der im Ausland erworbenen Studien, zielführende Maßnahmen für die Sprachkompetenz auf Deutsch oder Arbeitsmarktberatung – würden bis auf Weiteres in der Luft hängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2011)

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