„Du brauchst Ruhe, um flink zu sein“

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Elisabeth Görgl musste sich erst vom familieninternen Konkurrenzkampf befreien. Ihre Mutter, Traudl Hecher, hatte die skifahrerische Latte hoch gelegt. Mit Gold auf der Kandahar-Piste überflügelte sie auch sie.

Garmisch-partenkirchen. Lizz Görgl, die Verrückte, die Schwierige, die Exaltierte. Diese Zuschreibungen hatten vielleicht in den vergangenen Jahren für die gebürtige Steirerin gegolten.

Lizz Görgl, die Leistungsstarke, die Ausgeglichene, die Vielseitige. Diese Eigenschaften beschreiben die 29-Jährige, die mittlerweile in Innsbruck lebt, bei der WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen.

Drei Bronzemedaillen hat sie bereits gewonnen: in der WM-Superkombination 2009 und in Abfahrt und Riesentorlauf bei den Olympischen Spielen 2010. „Eine Medaille in einer anderen Farbe wäre schön“, hat sie vor dem WM-Super-G gemeint. Mit dem Sieg erfüllte sie sich den Traum, „dass die Hymne auch einmal für mich gespielt wird“.

Mit Gold auf der Kandahar-Piste überflügelte sie auch ihre Mutter, Traudl Hecher, die bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen viermal Bronze gewonnen hatte. Die Auszeichnung mit der diamantenen Kandahar-Nadel aber wird wohl ein Privileg ihrer Mutter bleiben, die die Kandahar-Abfahrt zwischen 1960 und 1963 sechsmal gewann – allerdings die Kandahar-Abfahrt am Arlberg.

Ihren Bruder Stephan, der in den letzten Jahren mit zahlreichen Verletzungen kämpfte, überflügelte sie schon sehr bald an Erfolgen. Dieser familieninterne Konkurrenzkampf aber beschäftigte sie lange – und hemmte sie auch ein wenig. In diesem Winter nicht mehr: Lizz Görgl landete in dieser Saison bei 19 Starts zwölfmal unter den ersten Zehn, dreimal auf dem Podest. Das wurde auch deshalb möglich, weil sie viel Zeit in Materialtests investierte, nach drei zusätzlichen Super-G-Trainings vor der WM auf einen neuen Ski schwört und das Rennen mit neuen Schuhen bestritt. Das ist Görgl, die Leistungsfähige.

Möglich wurden diese Erfolge auch durch die neu gewonnene Ruhe, davon ist Görgl überzeugt. „Ich bin geerdet, mittig, ruhig“, sagte sie nach ihrem Sieg. Nervosität sei weder vor dem Rennen noch vor dem Auftritt bei der WM-Eröffnung ein Thema gewesen. Ihr Hobby Thaiboxen helfe ihr dabei: „Du brauchst Ruhe, um flink zu sein“, ist ihre Lehre aus dem Kampfsport. Zudem hat sie ihre Ernährung umgestellt und folgt der Methode von Sasha Walleczek. „Und“, sagt Görgl schließlich. „Ruhe ist eine Entwicklungssache, sie kommt mit den Jahren.“ Die notwendige Aggressivität, die sie als Rennläuferin mitbringt, sei kein Widerspruch dazu: „Du musst ausleben, was in dir ist.“ Das ist Görgl, die Ausgeglichene.

Dass die Absolventin des Ski-Gymnasiums in Stams im vergangenen Sommer die staatliche Skilehrerprüfung abgelegt hat, mag vielleicht nicht so sehr überraschen. Das musikalische Talent, das Görgl mitbringt, darf das allerdings schon. Es erinnert ein wenig an Stephan Eberharter, der nach seinem WM-Siegen regelmäßig die Ziehharmonika auspackte.

Bereits beim Ski-Weltcup in Zauchensee beeindruckte Görgl stimmlich mit ihrer Version von Rainhard Fendrichs „I am from Austria“. Zur WM steuerte sie mit Christian Geisler den offiziellen Song „You're the hero“ bei. Das ist Görgl, die Vielseitige.

Und wenn sie ihr Talent weiter so auslebt, dann könnte aus Gold schon sehr bald Platin werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2011)

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