Mordprozess Schnabel: "Für Polizei war Fall geklärt"

Mordfall Silke Schnabel Polizisten
Mordfall Silke Schnabel Polizisten(c) APA/Neumayr/MMV (Neumayr/MMV)
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Der damalige Chefermittler will schon 1992 gewusst haben, dass in dem Mordfall nur der nun erneut Angeklagte als Verdächtiger in Frage käme.

18 Jahre nach dem gewaltsamen Tod der 17-jährigen Silke Schnabel sind bei vielen Zeugen die Erinnerungen etwas verblasst - so auch bei den zwei Polizisten, die am Mittwoch am Landesgericht Salzburg einvernommen wurden. Nicht so aber beim Chefermittler: Er sagte am Mittwoch, dass er damals zweimal darauf hingewiesen habe, dass für die Polizei der Fall geklärt sei.

Die Beamten, die den Angeklagten Anton W. (52) nach der mutmaßlichen Tatnacht am 11. Juli 1992 schlafend an der Salzach-Böschung gefunden hatten, waren vor dem Chefermittler an der Reihe. In Erinnerung blieb ihnen das Aussehen von W.: "Die Jeans des Mannes waren nass und bis zu den Knöcheln herunterzogen. Die Unterhose lag neben ihm. Das war nicht normal."

Einer der beiden Polizisten vermutete damals ein Gewaltverbrechen, weil der Mann regungslos im Gras lag. "Ich glaubte, er sei tot, und habe ihn zwicken müssen, damit er aufsteht." Wie die Jacke aussah, die drei Meter entfernt im Gestrüpp hing, wusste der 42-Jährige heute nicht mehr. Laut einem Bericht, den die Polizisten nach Auffindung der Leiche des 17-jährigen Mädchens am 21. Juli 1992 bei Ranshofen (OÖ) im Inn schreiben mussten, handelte es sich um eine helle Trainingsjacke mit Reißverschluss, blauen Bündchen und weißem Frottee an der Innenseite. "Wenn das so steht, wird es stimmen", verwiesen die zwei Zeugen auf ihre früheren Aussagen.

Den Polizisten wurde schon damals ein Lichtbild von jener weißen Damenbluse vorgehalten, die Kripo-Beamte am 29. Juli 1992 bei einer Hausdurchsuchung bei Anton W. fanden. Damals sagten sie, bei der an der Salzach aufgefundenen Jacke handle es sich nicht um diese Bluse. Das Beweismittel ist jedoch im Laufe der Jahre verschwunden. Die beiden Zeugen wussten heute noch, dass das Gras an der Uferböschung etwa 80 Zentimeter hoch und zwei bis drei Meter um Anton W. herum niedergetreten war. Eine niedergetretene Spur reichte von der Schlafstelle von W. bis zum Fluss. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Mädchen von dem Angeklagten vergewaltigt sowie erwürgt und dann in die Salzach geworfen worden war.

Schwester: "Ja, das war meine Bluse"

Die weiße Damenbluse stand auch bei den anderen Zeugeneinvernahmen im Mittelpunkt des Interesses. Ein Freund des Angeklagten hatte 1992 geschildert, die Mutter von Anton W. habe erzählt, dass ihr Sohn die Bluse nach Hause mitgenommen habe, sie die Knöpfe entfernt hatte und das Textil auch vernichten wollte, die Polizei habe es zuvor aber sichergestellt. Heute konnte sich der Mann nicht mehr an diese Angaben erinnern. Er erzählte, er habe Anton W. am Abend des 11. Juli - also nach der mutmaßlichen Tat - in einem Lokal getroffen. "Er hat sich wie immer verhalten, es ist der Schmäh gelaufen."

Der vorsitzende Richter Günther Nocker zeigte auch der zwei Jahre älteren Schwester von Silke Schnabel ein Foto der weißen Bluse. "Ja, das war meine. Nur die Rostflecken darauf kenne ich nicht. Ich habe die Bluse Silke geschenkt, weil sie ihr so gefallen hat." Das Beisl "Max und Moritz" habe Silke durch sie kennengelernt. "Silke war ein offener Mensch, aber rebellisch. Wenn meine Mutter gesagt hat, 'da geht's nicht hin', sind wir genau dort hingegangen", sagte die Schwester. "Die Eltern waren streng, deshalb wollte Silke ausziehen." Sie sei ein verlässlicher Typ gewesen, darum habe sie sich gewundert, dass Silke sich zwei Tage nach dem 11. Juli, als sie ihre Schwester anrief, nicht meldete. "Wir brauchten den Pass, weil wir in den Urlaub wollten. Sie hat sich ja so darauf gefreut."

Chefermittler: "Für Polizei war Fall geklärt"

Am Nachmittag trat der damaliger Chefermittler in den Zeugenstand. Der 68-jährige, mittlerweile pensionierte Kriminalbeamte belastete den Angeklagten schwer: Er und seine Kollegen hätten sich fürchterlich aufgeregt, als Anton W. im November 1992 aus der U-Haft entlassen und das Strafverfahren ein Jahr später eingestellt wurde. "Ich habe zweimal darauf hingewiesen, dass für die Polizei der Fall geklärt ist. Als Verdächtiger ist niemand anderer infrage gekommen."

Der Ermittler hatte Anton W. während seiner vier Monate dauernden Untersuchungshaft mehrmals vernommen."Er hat gesagt, er war es nicht. Die Kommunikation mit ihm war schwierig, weil er wenig sagte. Er war stur wie ein Esel. Doch einmal, als ich ihn aus der Reserve lockte, schrie er mich plötzlich an: Wenn ich es gewesen wäre, dann ist es nicht meine Schuld". Anton W. habe gemeint, die Sonderanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Wien-Mittersteig sei dann schuld, weil die hätten ihn nach dem fünfjährigen Maßnahmenvollzug (wegen eines Sexualdeliktes, Anm.) 1985 für gesund erklärt und entlassen. Anton W. habe ihm auch erzählt, dass er in der mutmaßlichen Tatnacht insgesamt zwölf halbe Bier getrunken hatte, sagte der Zeuge.

Der pensionierte Polizist bestätigte auch die Aussagen einer Ex-Prostituierten, wonach diese ihm erzählt hätte, Anton W. habe bald nach seiner Entlassung aus der U-Haft auf den Zuruf einer anderen Prostituierten "verschwinde, du Mörder" mit "halt's die Goschn, sonst geht's euch wie der Silke' geantwortet. Wann genau die Prostituierte ihm das erzählt hat, wusste er nicht mehr - womöglich nach der Verfahrenseinstellung (November 1993, Anm.), oder zirka ein halbes Jahr nach W's Enthaftung. Aktenkundig wurde der Vorfall damals nicht. "Für mich war der Fall ja erledigt", sagte der Zeuge frustriert. Der Prozess wird morgen, Donnerstag, mit der Anhörung und Befragung des Täter-Profilers Thomas Müller fortgesetzt. Das Urteil soll am Freitag gesprochen werden.

(APA)

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