Wer hat Schuld am Inflationsgespenst?

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Nahrungsmittel werden teurer, die Schwellenländer rufen laut um Hilfe. Die Gründe für die hohen Preise sind vielfältig, die Schuld bloß bei den Industrieländern und Spekulanten zu suchen, wäre aber zu einfach.

Wien. Ob Kaffee, Zucker, Sojaöl oder Weizen: Die Preise für Nahrungsmittel steigen seit Wochen rasant an. Vor allem in den Schwellenländern hat sich das Inflationsgespenst längst gezeigt. China erhöhte am Dienstag die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte. Damit will Peking dem Markt Geld entziehen, die Bankanlage soll attraktiver gemacht werden. Es handelt sich um die dritte Zinserhöhung in vier Monaten.

Auch aus der größten Volkswirtschaft Südamerikas kommen besorgniserregende Nachrichten. Brasiliens Teuerung stieg von 4,5 Prozent auf 5,99 Prozent im Jahresvergleich. Analysten erwarten eine baldige Erhöhung des Leitzinses. Im Folgenden die wichtigsten Antworten zum Thema Inflation und Hunger.

1 Wie ernst ist die Lage in den Schwellenländern wirklich?

Sehr ernst, glaubt man den Hilfsorganisationen. „Millionen Menschen werden in den Hunger getrieben, weil sie sich ihre täglichen Mahlzeiten nicht mehr leisten können“, zeigt sich die Welthungerhilfe alarmiert. Zurückhaltender geben sich die Regierungen und Volkswirte. China zeigt sich „besorgt“, will aber von Panik noch nicht sprechen. Die meisten Ökonomen teilen diese Einschätzung.

2 Wer hat Schuld an den horrenden Preissteigerungen?

Die Spekulanten, sagt etwa Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy. Er will die Höhe der Wetten auf die Entwicklung von Rohstoffpreisen beschränken. Tatsächlich verstärken Spekulanten die Trends bloß, der Auslöser sind sie nicht. Dafür zeichnet unter anderem die Geldschwemme der Notenbanken verantwortlich. Die USA pumpen aktuell 600 Mrd. Dollar in die Märkte, um die Konjunktur zu stützen. Das erhöht die Liquidität und die Nachfrage auf dem Weltmarkt. Weiters spielen die Wetterkapriolen der vergangenen Monate eine Rolle, aber auch der Vormarsch des Biosprits, der aus Getreide gewonnen wird, sowie der geopolitische Machtkampf zum Thema Währungen.

3 Trägt die Währungspolitik Chinas zum Hunger bei?

Ja. Der lehrbuchmäßige Weg, um Teuerung im Zaum zu halten, ist die Aufwertung der Währung. Ausländische Produkte werden dadurch relativ billiger, die Inflation geht zurück. China hält den Yuan aber künstlich schwach, weil es die großen Exporteure stärken will. Das stört die USA, ihre Firmen erleiden einen Wettbewerbsnachteil. Washington will die Kritik, wegen der Geldschwemme für die Inflation verantwortlich zu sein, nicht gelten lassen. Vielmehr sollte China seine Währung nicht künstlich schwach halten, so das Argument.

4 Womit ist in den nächsten Monaten zu rechen?

Mit Preissteigerungen. Das betrifft vor allem Weizen, ein Hauptnahrungsmittel für die Ärmsten. Eine Dürre in China gefährdet zwei Drittel des Anbaus – und China ist der weltgrößte Produzent. Brasilien wiederum hat eine Steuer auf Zinserträge von Ausländern eingeführt. Andere Schwellenländer könnten folgen. Und wenn die überschüssige Liquidität der Industrienationen erst nicht mehr ins Ausland fließt, wird sich das Inflationsgespenst auch in Europa und den USA in voller Pracht zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2011)

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