Berlusconi blüht Prozess wegen Sexskandalen

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Der italienische Premier soll wegen Amtsmissbrauchs und und Beihilfe zur Prostitution mit Minderjährigen angeklagt werden. Silvio Berlusconi reagierte wütend. Die Stimmung in Italien ist weiterhin aufgeheizt.

Rom/Mailand. Der Mailänder Oberstaatsanwalt Edmondo Bruti Liberati ist sich seiner Sache sehr sicher. Die Beweislast sei ausreichend, um ein Schnellverfahren gegen Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu beantragen, hieß es gestern, Mittwoch, in einer dürren Mitteilung – wegen Amtsmissbrauchs und Beihilfe zur Prostitution mit Minderjährigen.

Die Nachricht kam nicht unerwartet. Doch sie hat die Atmosphäre in Italien weiter aufgeheizt. Und auch Silvio Berlusconis wütende Reaktion ließ nicht lange auf sich warten.

Drei bis zu zwölf Jahren Haft

Im Mittelpunkt einer möglichen Anklage steht die marokkanische Prostituierte „Ruby“ Karima el-Mahroug, die noch als Minderjährige bezahlten Sex mit dem Premierminister in dessen Privatresidenz in Arcore bei Mailand gehabt haben soll. Die Ermittler halten es auch für erwiesen, dass sich dort bei nächtlichen Gelagen mehrere andere Callgirls prostituiert haben sollen, strafbar ist jedoch nur, dass el-Mahroug zum fraglichen Zeitpunkt erst 17Jahre alt war. Darauf können nach italienischem Recht bis zu drei Jahren Haft stehen.

El-Mahroug bestreitet die Vorwürfe ebenso wie Berlusconi. Sie hat aber zugegeben, von dem Premier Geld wegen einer „familiären Notlage“ erhalten zu haben.

Juristisch schwerer wiegt der zweite Vorwurf gegen den Regierungschef: Er schaltete sich persönlich ein, um das Mädchen im Mai vergangenen Jahres aus Polizeigewahrsam freizubekommen, als es wegen eines Diebstahls festgenommen worden war. Dabei soll er behauptet haben, bei „Ruby“ handle es sich um eine Nichte des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubaraks. Einen entsprechenden Anruf bei der Mailänder Polizei gibt Berlusconi zu, doch beruft er sich darauf, dass er weder die wahre Identität des Mädchens noch ihr Alter gekannt habe, vielmehr habe er eine „diplomatische Krise“ verhindern wollen. Amtsmissbrauch kann in Italien mit bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft werden.

An einen freiwilligen Rücktritt denkt Berlusconi nach wie vor nicht. Stattdessen fuhr er gestern in Rom einen neuen Angriff gegen die Justiz – dort hatte er das Kabinett zu einer Sondersitzung zusammengerufen, um mit der Verabschiedung von umfangreichen Wirtschaftsreformen die Kritik zu entkräften, die Regierung sei handlungsunfähig.

Gereizt erklärte er im Anschluss, für „diese Schande“ müsse wie immer am Ende der Staat bezahlen, doch wolle er dafür sorgen, dass die „subversiven“ Staatsanwälte dafür haften müssten. „Diese Prozesse sind eine Farce, die Vorwürfe vollkommen haltlos“, polterte er. Zudem seien die Mailänder Richter gar nicht zuständig: Das ist übrigens eine der Verteidigungslinien seiner Anwälte, die der Premier in der Nacht auf Mittwoch erneut zu einer Krisensitzung in seine Privatvilla in Rom bestellt hatte.

Denn schon am Abend zuvor war bekannt geworden, dass auch der Prozess um den britischen Steueranwalt David Mills am 11. März wieder aufgenommen wird. Berlusconi wird vorgeworfen, ihm 600.000Dollar für eine Falschaussage vor Gericht bezahlt zu haben.

Das Verfahren musste, ebenso wie zwei weitere wegen Steuerhinterziehung, wegen einer Immunitätsregelung ausgesetzt werden. Diese Regelung hatte das Verfassungsgericht im Jänner jedoch für teilweise ungültig erklärt.

Verzögerungstaktik der Anwälte

Wann das neue Verfahren eröffnet werden könnte, ist derzeit unklar. Die zuständige Untersuchungsrichterin in Mailand hat fünf Tage Zeit, um den Antrag der Staatsanwaltschaft zu prüfen, bei Zweifeln kann sie sich aber auch mehr Zeit nehmen. Zu erwarten ist außerdem, dass Berlusconis Anwälte eine Entscheidung mit formalen Anfechtungen hinauszögern werden. Sie argumentieren, dass für den Vorwurf des Amtsmissbrauchs ein Sondergericht in Rom zuständig sei, und arbeiten an einer neuen Immunitätsregelung.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch ein Schnellverfahren gegen den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi wegen der Affäre um eine minderjährige Prostituierte beantragt. Berlusconi werden in diesem Zusammenhang Amtsmissbrauch und sexuelle Beziehungen zum marokkanischen Callgirl „Ruby“ vorgeworfen. Die zuständige Untersuchungsrichterin hat nun mindestens fünf Tage Zeit, um über den Prozessantrag zu entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. Februar 2011)

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