Friedrich Cerha: Geburtstag des Doyens

Friedrich Cerha Geburtstag Doyens
FRIEDRICH CERHA(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Mit so unterschiedlichen Werken wie "Spiegel für Orchester" und "Baal" schrieb er Musikgeschichte. Das Konzerthaus würdigt den Meister mit einem Konzert.

Doyen der österreichischen Komponisten? Das will etwas heißen. Ist doch die Musikszene in diesem Land nach wie vor reich nicht nur an museal-reproduzierendem Potenzial, sondern auch an schöpferischem. Und letzteres hat ein buntes Angesicht, wie es sich in der Ära der Post-Postmoderne geziemt. In einer Zeit, in der längst alles möglich ist, ist einer der „große alte Mann“, der sein Lebtag diese nunmehr von allen zelebrierte Denk- und Fantasie-Freiheit für sich in Anspruch genommen hat.

Grund genug, sein reiches Schaffen in einem Festkonzert Revue passieren zu lassen. Im Konzerthaus treffen pünktlich am 17.Februar die Spezialisten fürs Komplizierteste in der Notenlesewelt zusammen, Erwin Ortners Arnold-Schoenberg-Chor und das einst von Cerha selbst mitbegründete Ensemble „die reihe“, Solisten wie der Geiger Ernst Kovacic und der Klarinettist Ernst Schablas. Heinrich Schiff ist mit von der Partie, der nach einer Operation noch nicht Cello spielen darf, aber immerhin „die reihe“ dirigiert, wenn sein Meisterschüler Bruno Weinmeister das Solo musiziert.

Sie alle haben ein Programm zusammengestellt, das der stilistischen Breite von Cerhas Schaffen entsprechen wird und den Jubilar auch ein wenig überraschen soll.

 

Nali Gruber zum Finale

Wobei das Finale des Abends ein sicherer Tipp sein dürfte, sobald man liest, dass Heinz Karl (Nali) Gruber mit von der Partie ist, Komponistenkollege, „reihe“-Mitstreiter seit je, und ein exzellenter Interpret nicht nur eigener vokal-sprachartistischer Pièçen, sondern auch jener „Chansons“, mit denen Cerha vor Jahren schon in den Achtzigerjahren das Publikum zu verblüffen wusste.

Freilich: Hätten wir wenig früher die Brecht-Oper „Baal“ aufmerksam studiert, der Zug zum kritisch-balladesk Kabarettistischen wäre uns nicht verborgen geblieben, mit dem der Komponist da in manchen Passagen eine (post-)moderne Antwort auf Kurt Weills Bänkelsänger-Ton gegeben hat, der sonst in der Regel mit dem Namen Brecht verbunden wird.

Das allerdings eingebunden inein stilistisch kaleidoskopisch gefächertes, doch in sich vollkommen stringent organisiertes, harmonisches Gesamtkunstwerk: „Baal“ reflektiert, umgelegt auf die Opernbühne, wie sich die von Cerha über die Jahre hin verwendeten Techniken auch dramaturgisch nutzen lassen. Mancher Musikfreund begriff erst zu diesem Zeitpunkt, wie wenig Cerhas Musik auch davor schon mit dem engstirnigen Konstruktions-Fetischismus der seriellen Uniformisten zu tun hatte, die sich in den Fünfzigerjahren europaweit als Siegelbewahrer der musikalischen Kultur auszubreiten begannen.

Cerha ist immer „anders“ gewesen, hat hie und da gar Afrikanisches seinem Klangkosmos einverleibt. „Aha-Erlebnisse“ – auch am 17.Februar – garantiert. sin

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2011)


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