Es gibt die Gemeinwohl-Ökonomie

Drei Geschäftsführer antworten auf Erhard Fürst, der im Gemeinwohl-Modell Christian Felbers einen „Wegweiser ins Chaos“ sieht.

Gastkommentar

Nach der Lektüre der Ausführungen von Dr. Erhard Fürst zum Modell der Gemeinwohl-Ökonomie („Die Presse“, 1.2.) ist uns eine Antwort ein Anliegen, weil unsere Unternehmen zu den ersten 60 praktischen Anwendern der Gemeinwohl-Bilanz, des Herzstücks des Modells, gehören.

Der Reflex, die Person Christian Felber in die eine oder andere Schublade zu stecken, hilft nur der Vermeidung einer sachlichen Diskussion; uns geht es vielmehr darum, eine Wirtschaft vorzuleben und zu leben, wie wir sie als Unternehmer persönlich am besten verantworten wollen. Und für uns steht fest: Wir möchten unseren unternehmerischen Erfolg in Zukunft nicht ausschließlich über die jährlichen Gewinne definieren, denn tatsächlich leisten wir unglaublich viel mehr.

Als Unternehmen verstehen wir uns als Mit-Glied der Gesellschaft, nicht als ein abstrakter Wirtschaftskörper, in den Geld hineingepumpt wird und aus dem Geld herausfließt. Wir sind lebendiger Bestandteil in den Regionen, wir bieten ein Umfeld, in dem Menschen ihre Ideen verwirklichen können, wir fühlen uns für das Glück unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitverantwortlich, und unsere Entscheidungen beeinflussen die Gesundheit von Mensch und Natur. Diese Leistungen sind wir zwar heute noch nicht zu messen gewöhnt, aber aus unserer Sicht sind sie genauso wichtig für die Bewertung des Unternehmenserfolges wie das Erwirtschaften von Gewinnen. Die Gemeinwohl-Bilanz leistet genau das.

Wenden das Modell einfach an

Daher fragen wir nicht lange, ob die Idee einer Gemeinwohl-Ökonomie „realistisch“ ist, sondern wir wenden sie ganz einfach an. In kleinen Schritten und mit allen Möglichkeiten, die uns der aktuelle wirtschaftliche, politische und rechtliche Rahmen bietet. Mit der gemeinsamen Initiative wollen wir auch die Politik unterstützen, den Rechtsrahmen für das Wirtschaften von Gewinnmaximierung und Kon(tra)kurrenz langsam auf Gemeinwohlstreben und Kooperation umzupolen.

Besonders schade ist daher, dass Erhard Fürst die Idee, dem Gemeinwohlstreben von Unternehmen in einem direkt gewählten demokratischen Konvent einen Ziel- und Anreizrahmen zu geben, als „vorbei an der repräsentativen Demokratie“ herabwürdigt. Ein direkt gewählter Konvent ist ein eminent demokratischer Prozess, in dem der Souverän direkt für eine bestimmte Sache Vertretungspersonen wählt und über das Ergebnis selbst abstimmt. Solche souveränen Verfahren erhöhen erwiesenermaßen das Gefühl, in der Demokratie mitbestimmen und mitgestalten zu können.

Bevor wir aber den Konvent fordern, wollen wir umfassende Vorausarbeit leisten und durch die Einbindung von immer mehr Unternehmen die repräsentativsten, treffendsten und intelligentesten Gemeinwohl-Kriterien suchen, damit sich verantwortungsvolles, ökologisches, kooperatives und demokratisches Verhalten in der Wirtschaft in Zukunft mehr lohnt als rücksichtsloses, nicht nachhaltiges und unethisches Verhalten.

Die Krise hat gezeigt, dass es auch in der Wirtschaft mehr Mitbestimmung und Mitverantwortung in Bezug auf das Gemeinwesen braucht. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein offener Beteiligungsprozess in diese Richtung.

GF Erwin Stubenschrott (KWB Biomasseheizungen, 300 Beschäftigte);
GF Heini Staudinger (GEA und „Waldviertler“ Schuhwerkstatt, 125 Beschäftigte);
GF Ernst Gugler (gugler* cross media, 95 Beschäftigte).


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2011)

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