Nokia und Microsoft: Angezählt, aber auf den Beinen

Angezaehlt aber Beinen
Angezaehlt aber Beinen(c) EPA (DANIEL DEME)
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Seit Nokia und Microsoft ihre Allianz bekannt gaben, müssen sie öffentlich Prügel einstecken. Trotzdem hat die Kooperation der beiden Unternehmen eine Chance. Im Billigsegment werden sie sich aber schwer tun.

Barcelona. Nokia muss derzeit viel Prügel einstecken. Marktanteile und Gewinn sinken, zu allem Überfluss befindet sich die Aktie seit Bekanntgabe der Allianz mit Microsoft im freien Fall. Der komplette Schwenk, bei Smartphones vorrangig auf Microsofts Betriebssystem Windows Phone zu setzen, kommt nicht gut an.

Sauer reagierte auch Intel-Chef Paul Otellini. Ihm sei das eine oder andere Schimpfwort entfahren, als er den Anruf von Nokia-Chef Stephen Elop erhalten hatte, sagte Otellini auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. Verständlich, hatte sein Unternehmen erst vor einem Jahr eine nunmehr hinfällige Partnerschaft für das Betriebssytem MeeGo mit Nokia geschlossen.

Trends verschlafen

Es ist wohl einzigartig, dass ein Marktführer wie Nokia sich vom Kern eines Produkts trennt und stattdessen auf das Know-how eines absoluten Underdogs setzt. Windows Phone 7 rangiert in den Verkaufszahlen trotz guter Kritiken weit unten. Beide Firmen haben Trends verschlafen, heißt es in der Branche. Ein Nokia-Tablet ist etwa weit und breit nicht in Sicht.

Elop selbst bezirzte aber fast täglich auf dem MWC die Netzbetreiber. Nokia sei der perfekte Partner für sie, so seine Eigenwerbung. Wenn schon die Kunden nicht nach Nokia-Handys lüsten, muss eben die Schiene über Vertragsstützungen herhalten, ist die nicht ausgesprochene Räson dahinter.

Selbiges versuchte auch Jim Balsillie, CEO von Blackberry-Hersteller RIM. Er hielt bei allen öffentlichen Terminen das neue Tablet Playbook in jede noch so kleine Kamera, die er erspähte, und umwarb Betreiberpartner.

Microsoft ist wohl das Unternehmen, das man am ehesten mit Sylvester Stallones legendärem Boxer Rocky Balboa vergleichen kann. Schon oft hatte man den Riesen aus Redmond angezählt, doch er steht immer wieder auf. Das 2007 erschienene Betriebssystem Windows Vista stieß auf breite Ablehnung. Mit Windows 7 konnte Microsoft aber wieder positives Feedback erhalten. Auch die Absicht, 2001 in die Videospielwelt einzusteigen, wurde anfangs belächelt. Die Xbox ist aber, wie Sonys PlayStation, zu einem Überbegriff für Spielkonsolen geworden.

Nun hofft der Software-Spezialist im Handysektor auf eine Wiederholung. Das alte Windows Mobile gilt als eines der umständlichsten Betriebssysteme für Smartphones. Windows Phone dagegen wirkt wie ein frischer Wind, der bisher in den Verkäufen aber noch eine laue Brise bleibt.

Neue Windows-Phone-Version

Besonders im billigen Segment werden sich die beiden neuen Partner schwer tun. Erste spartanische Android-Handys stoßen schon in Preisregionen vor, die bisher nur Imitaten aus China vorbehalten waren. Das ist Microsoft aber auch bewusst. Dementsprechend soll noch heuer eine neue Variante von Windows Phone erscheinen, wie Insider der „Presse“ verrieten. Das Update mit dem Codenamen Mango soll auch auf Geräten funktionieren, die nicht dermaßen hohe Hardware bieten müssen, wie Microsoft es bisher verlangt.

Da der Hersteller für seine Software Lizenzgebühren fordert, ist die Entwicklung für Hardware-Produzenten deutlich teurer als etwa für Android. Wenn sie bei der Leistung sparen können, könnte das erhebliche Preisunterschiede für die Kunden bedeuten und Windows Phone zu Auftrieb verhelfen.

Microsofts Steherqualitäten sind unbestritten. Bei Nokia ist aber die Frage, wie gut der Konzern die derzeitigen Schläge im Aktienhandel und von der Konkurrenz einstecken kann. Bisher sind die Finnen eher krampfhaft einen Weg gegangen, der sich letztlich als Sackgasse erwiesen hat.

Firmenchef Stephen Elop hofft, sein Unternehmen wieder aus der Ecke herausholen zu können. Ein Teil der Strategie ist, die „nächste Milliarde“ ins Internet zu holen. Nokia wird also sein Engagement in Schwellen- und Entwicklungsländern forcieren und setzt dabei etwa auf Zahlungsdienste per SMS. Da könnte ein Windows Phone mit Mangogeschmack gerade das richtige Aufputschmittel sein.

Auf einen Blick

Nokia/Microsoft. Die beiden Unternehmen wollen sich gegenseitig aus der Handykrise holen. Microsoft hofft, sein Betriebssystem Windows Phone populärer machen zu können. Nokia wiederum ist zuversichtlich, dass seine Smartphones mit der Software von Microsoft konkurrenzfähiger werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2011)

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