Bahrain: "Wir wollen, dass der König geht!"

(c) AP (Hussein Malla)
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Ein Märtyrerbegräbnis verwandelte sich in einen neuen Protestzug. Am Abend behauptete ein schiitischer Oppositionspolitiker, dass die Polizei wieder auf Demonstranten geschossen habe und viele verletzt seien.

Manama/Washington. Im kleinen Golfemirat Bahrain brodelt es nach den Zusammenstößen zwischen Armee und Polizei in der Nacht auf Donnerstag: Am Freitag wurden in dem Inselstaat jene vier Demonstranten beerdigt, die starben, als Truppen ein Lager der Regierungsgegner in Manama gestürmt hatten. Es war auf dem Lulu-Platz (Perlenplatz) mitten in der Hauptstadt Manama errichtet worden.

Mindestens 15.000 Menschen kamen zu den Trauerfeiern (Bahrain hat ca. eine Millionen Einwohner, davon die Hälfte Ausländer). Dabei sowie bei einem Protestzug in Manama wurden Parolen gegen König Hamad Bin Issa al-Chalifa skandiert, er solle abtreten und gehen. Es gab auch eine Demo von Fans des Herrschers, der seit 1999 regiert. Soldaten bewachen den Lulu-Platz, um Zusammenrottungen zu verhindern. Am Abend behauptete ein schiitischer Oppositionspolitiker, dass die Polizei wieder auf Demonstranten geschossen habe und viele verletzt seien.

„Ein befohlenes Massaker“

Ein hoher schiitischer Geistlicher in Bahrain, Scheich Issa Kassim, beschuldigte die Regierung in seiner Freitagspredigt, ein „Massaker“ befohlen zu haben, um Vorgänge wie in Ägypten zu verhindern; den Truppen sei es nicht um die bloße Räumung des Platzes gegangen. Kassim ging aber nicht so weit, offen zu neuen Protesten aufzurufen.

Diese werden großteils von Schiiten angeführt. Dabei ist die religiöse Mixtur in Bahrain heikel, denn 70 Prozent der Bahrainer sind Schiiten wie im Iran, die Königsfamilie aber ist sunnitisch. Die Schiiten kritisieren seit jeher, dass hohe Posten in Verwaltung und Militär meist an Sunniten gehen. Am Donnerstag verließen die 17 Abgeordneten der schiitischen „Wefaq“-Partei das Parlament, das 40 Abgeordnete hat. Es hat wenig Macht, während Premier Scheich Chalifa ibn Salman al-Chalifa (74), ein Onkel des Königs, seit 1970 amtiert.

Es ist fraglich, ob das kleine Militär des Landes, das mit 711 Quadratkilometern ein Viertel der Fläche Vorarlbergs misst und ein wichtiger Finanzplatz ist, eine Revolution niederschlagen kann. Das Militär zählt nur etwa 9000 Soldaten, die Armee hat 180 Kampfpanzer und etwa 240 Panzerfahrzeuge.

Einmarsch Saudiarabiens?

Beobachter vermuten, dass im Notfall saudische Truppen eingreifen könnten. Das geschah schon 1981 bei einem schiitischen Putschversuch. Die anderen Monarchien der Region (Kuwait, Saudiarabien, Oman, Vereinigte Arabische Emirate, Katar) haben Bahrain Hilfe zugesichert.

Für die USA ist Bahrain ein wichtiger Alliierter: In Manama ist der Stab der 5. US-Flotte. Im Telefonat mit ihrem Amtskollegen Khalid bin Ahmad al-Khalifa hat Außenministerin Hillary Clinton „tiefe Sorge“ über den Gewalteinsatz der meist aus pakistanischen „Legionären“ rekrutierten Sicherheitskräfte formuliert und zugleich die Hoffnung ausgedrückt, dass die Freitagsgebete und Begräbnisse nicht von Gewalt überschattet würden. US-Präsident Barack Obama äußerte sich noch nicht zur Lage.

Angesichts der Revolte in Teilen der arabischen Welt und im Iran vollführt die US-Außenpolitik einen Spagat. Nach dem Sturz Hosni Mubaraks in Ägypten stachelte Washington zu Protesten im Iran auf. Als diese niedergewalzt wurden, verurteilten Obama und Clinton den Einsatz von Knüppeln und Tränengas. Dahin war die Zurückhaltung, die die USA noch 2010 bei den Protesten in Folge der Präsidentenwahl im Iran geübt hatten. Damals wollte Obama das Regime durch sanften Druck zur Aufgabe seines Atomprogramms bewegen.

Die USA messen ihre Reaktion auf die Aufstände in der islamischen Welt mit zweierlei Maß. Clinton brachte es auf die Formel: „Bahrain ist seit vielen Jahren ein Freund und Alliierter.“ Dem Emirat kommt die Rolle eines Bollwerks gegenüber dem Iran und eine strategische Rolle für die ganze Region zu. Weil die Schiiten die Revolte in Bahrain anführen, schürt das die Angst vor einem Flächenbrand der Islamisierung, der Saudiarabien und andere proamerikanische Golfstaaten erfassen könnte. Laut „WikiLeaks“ hatten die arabischen US-Verbündeten bereits aus Panik vor einer möglichen iranischen Atombombe die USA zu einem Angriff auf den Iran gedrängt.

Schlingerkurs der USA

Insbesondere Clinton exerziert einen diplomatischen Schlingerkurs am Golf. Bei ihrem Besuch vor fünf Wochen würdigte sie vor König al-Khalifa die Fortschritte Bahrains auf allen Fronten: ökonomisch, politisch, sozial. In Katar indes mahnte sie die islamische Welt zu Reformen und prangerte Korruption an; sonst würden die Regierungen „im Sand versinken“.

Anderntags, am 14. Jänner, sollte sich Teil eins ihrer Prophezeiung erfüllen: Tunesiens Diktator Ben Ali floh nach Saudiarabien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2011)

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