Abschlussarbeiten: Wie Fekter von Gutenberg abschrieb

Abschlussarbeiten Fekter Gutenberg abschrieb
Abschlussarbeiten Fekter Gutenberg abschrieb(c) FABRY Clemens
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Die Akademiker unter den österreichischen Regierungsmitgliedern haben dem deutschen Verteidigungsminister einiges voraus: In ihren Uni-Abschlussarbeiten nahmen sie es mit dem Zitieren von Quellen genauer.

Auch Österreich hat einen Fall Gutenberg. Geschrieben mit einem „t“ allerdings, nicht mit zwei. Verantwortlich dafür ist Maria Fekter. Als Diplomandin der Betriebswirtschaft schrieb die heutige Innenministerin (ÖVP) von Herrn Gutenberg ab. Ihn selbst und sein Buch gab sie allerdings korrekt als Quelle an.

Gleich im ersten Satz ihrer Arbeit verweist die Studentin Maria Theresia Fekter mit nicht weniger als sieben Fußnoten auf „Gutenberg, E.“, den Verfasser des Standardwerks „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“. Ihr Werk zum Thema „Die Bemessung des Entgelts bei der entgeltlichen Übertragung von Betrieben und Teilbetrieben als Problem der Ertragsbesteuerung“ wurde im August 1981 an der Universität Linz eingereicht. Der Weg zum „Mag. rer. soc. oec.“ war geebnet. Den „Dr. iur.“ hatte Fekter – einst Doppelstudentin – bereits ohne Doktorarbeit erworben. Denn eine solche war im Jus-Studium damals nicht notwendig.

Dem deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, bis vor Kurzem Superstar der angeschlagenen schwarz-gelben Koalition, hat Fekter damit einiges voraus. Zu Guttenberg, geschrieben mit Doppel-„t“, muss sich seit Wochenbeginn schwere Vorwürfe des Plagiats gefallen lassen: Er soll für seine juristische Dissertation großzügig aus Zeitungsartikeln und politischen Reden zitiert haben – ohne die Quellen nach wissenschaftlichen Standards umfassend belegt zu haben.

Die Akademiker unter den österreichischen Regierungsmitgliedern nahmen es bei ihren Abschlussarbeiten da schon genauer – die meisten jedenfalls. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zum Beispiel: In ihrer 140-seitigen Dissertation aus BWL an der Wirtschaftsuniversität Wien führt sie 226 Fußnoten zu wörtlichen oder indirekten Zitaten an und listet im Literaturverzeichnis Bücher und Schriften, Abhandlungen in Zeitschriften sowie Beiträge in Sammelbänden an. Alles sehr übersichtlich und nachvollziehbar.

Titel der Arbeit von Mag. Claudia Schmied aus dem Jahr 1983: „Problematik des Informationsstandes zum ,Zeitpunkt‘ der aktienrechtlichen Jahresabschlusserstellung unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Niederstwertvorschrift“; auszuheben und nachzulesen, wie alle anderen Abschlussarbeiten, in der Österreichischen Nationalbibliothek.


Berlakovich forschte im Feld. Umfassend belegt ist auch die Diplomarbeit von Nikolaus Berlakovich (ÖVP) an der der Wiener Bodenkultur-Universität aus dem Jahr 1985. Der heutige Landwirtschaftsminister stützt sich nicht nur auf zahlreiche Fremdwerke, sondern auch auf Eigenleistung: „Untersuchungen über das Korn-Stroh-Verhältnis (Harvest-Index) bzw. das Korn-Spindel-Verhältnis ausgewählter Maissorten im pannonischen und illyrischen Anbaugebiet“ lautet der Titel seiner Arbeit.

Dafür machte Berlakovich, der sich aus „besonderem Interesse am Pflanzenbau“ mit diesem Thema befasste, eine Reihe von Versuchen – buchstäblich im Feld. Die Mais-Untersuchung ist auch mit Fotos belegt, nicht kopiert, sondern eingeklebt, in Farbe. Darüber Bildtexte wie etwa auf Seite 70: „Die beiden mittleren Reihen der Bruttoparzelle (Sorte Brutus) sind abgeerntet. Die erste Reihe jeder Bruttoparzelle war durch eine weisse Latte gekennzeichnet.“

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ), wie Berlakovich ein Burgenland-Kroate, schloss sein Geschichte- und Politik-Studium 1988 mit einer Diplomarbeit „Zum Selbstverständnis der burgenländisch-kroatischen Volksgruppe“ ab. Er habe die Geschichte dieser Minderheit und das (nicht immer einwandfreie) Verhältnis der SPÖ zu den pannonischen Kroaten aufarbeiten wollen, sagt Darabos heute.


Darabos zitiert »Krone«. Sorgen wie die seines deutschen Amtskollegen dürften den Verteidigungsminister jedenfalls nicht plagen: Darabos' Opus zeichnet sich durch umfassende Quellenangaben aus. Auch die „Neue Kronenzeitung“ kommt vor: auf Seite 106 mit einer Karikatur („Kreiskys Alptraum“).

Kein exzessiver Anwender von Fußnoten war der heutige Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP): Seine Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur zählt 51 Fußnoten – die letzte davon: „sämtliche Angaben: RLH Absdorf – Ziersdorf“. RLH steht für Raiffeisenlagerhaus. Kein Wunder, war Prölls Thema doch die „Fusion von Primärgenossenschaften – Motive und Auswirkungen aufgezeigt am Beispiel der Fusion der Raiffeisengenossenschaften von Absdorf und Ziersdorf“.

Der Vizekanzler setzte auf Eigenrecherche – und auf Raiffeisen, wie schon im Vorwort deutlich wird: „Besonders wichtig für einen erfolgreichen Abschluß dieser Diplomarbeit war die gute Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Stellen im Raiffeisenlagerhaus Absdorf – Ziersdorf.“ Die Verwalter hätten großzügig Daten bereitgestellt – und Pröll verwandelte diese. Außerdem nützte er „Standardwerke“ wie „Raiffeisen in Österreich“ (1985). Nach elf Semestern Studium schloss Pröll als „Diplomingenieur“ ab.


Drei Bücher für Claudia Ortner. „Ich erkläre ehrenwörtlich, daß ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfaßt, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe“, schrieb Claudia Ortner, heute Bandion-Ortner, am 11. Jänner 1989 in der Erklärung auf Seite zwei ihrer Diplomarbeit an der Universität Graz aus Jus.

Und sie hielt Wort. Durch Claudia Ortners Arbeit ziehen sich zahlreiche Zitierungen, etwa aus OGH-Urteilen und Büchern. Die Auswahl, die sie dabei traf, ist jedoch auffallend gering: Nur drei Werke finden sich in ihrem Literaturverzeichnis. Die letzten Worte der späteren Richterin auf Seite 54 ihrer Arbeit mit dem Titel „Der Dispositionsgrundsatz und die Teilrechtskraft im ehelichen Aufteilungsverfahren“: „Der Richter teilt ihnen dann der Billigkeit gemäß das zu, was ihnen gerechterweise zusteht.“

Jus hatte seinerzeit auch Medien-Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) in Wien inskribiert. 1985 schloss er sein Studium, nach sechs Jahren, mit dem Doktortitel ab – ohne dafür eine Dissertation verfasst zu haben. Eine solche war – wie bei Maria Fekter – im damaligen Studienplan nicht vorgesehen. Seine letzte Staatsprüfung legte Ostermayer übrigens bei einem gewissen Professor Alexander Van der Bellen ab.

Bei Verena Remler (ÖVP), seit knapp drei Monaten Staatssekretärin im Familienministerium, waren die Zeiten schon andere. Die heute 38-Jährige diplomierte 1996 an der Uni Innsbruck mit einer Arbeit, die einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auf den Grund ging. Dabei ging es um absichtliche schwere Körperverletzung.

Auf den „Arbeitsmarkt in Wien unter besonderer Berücksichtigung der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union“ setzte Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) in seiner Diplomarbeit aus VWL, eingereicht an der Universität Wien im Februar 2002. 58 Fußnoten und dreieinhalb Seiten Literaturverzeichnis reichten ihm auf dem Weg zum „Mag. rer. soc. oec.“.

Schieder erging sich auch ohne komplizierte Fußnoten in Definitionen und Erläuterungen. Etwa in Kapitel 1.4., über die „Phillipskurve“: Da begnügte sich der nachmalige Staatssekretär in seinen Ausführungen mit einen knappen Verweis auf die Studie Professor Phillips'. Die einzige Fußnote dieses Abschnittes weist auf eine Aussage Bruno Kreiskys über Arbeitslose hin – immerhin.


Happy End für Hahn. Ein anderer österreichischer Politiker kennt die Häme, die zu Guttenberg jetzt entgegenschlägt, nur zu gut: Johannes Hahn (ÖVP) nämlich, heute EU-Kommissar für Regionalpolitik. Im Sommer 2007 war er in die Bredouille geraten, weil ihm der „Plagiatsjäger“ Stefan Weber unterstellt hatte, in seiner Dissertation im Fach Philosophie „seitenweise abgeschrieben“ zu haben. Den Plagiatsvorwurf wagte Weber zwar nicht zu erheben. Allerdings warf er Hahn „überaus schlampiges Arbeiten“ vor. Doppelt peinlich: Der Beschuldigte war damals gerade Wissenschaftsminister.

Doch für Hahn ging die Sache noch einmal gut aus: Die Uni Wien sah davon ab, ein Plagiatsverfahren einzuleiten. Dafür gebe es keinen Anlass, hieß es, nachdem von der Uni Zürich eine externe Meinung eingeholt worden war.

Auf eine Bewertung seiner Dissertation (nämlich durch die Uni Bayreuth) wartet nun auch der deutsche Verteidigungsminister. Bis dahin verzichtet zu Guttenberg darauf, den Doktortitel zu führen. Ohne Titel im Ministeramt? Ein Schicksal, das die BWL-Magistra Maria Fekter nicht zu fürchten braucht – auch dank ihrer Verweise auf den „anderen“ Gutenberg. Den mit einem „t“.


Akademiker im Kabinett:

ANDREAS SCHIEDER

Der Finanzstaatssekretär (SPÖ), damals noch mit etwas anderer Haarpracht, studierte Volkswirtschaftslehre an der Uni Wien. Nach zehn Jahren schloss Schieder sein Studium als Magister ab.

Titel von Schieders Diplomarbeit:
„Arbeitsmarkt in Wien unter besonderer Berücksichtigung der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union“

JOSEF PRÖLL

Der Vizekanzler und Finanzminister (ÖVP) studierte Agrarökonomie an der Wiener Bodenkultur-Uni. Nach elf Semestern Studium wurde ihm der Titel Diplomingenieur verliehen (das Bild rechts stammt von der akademischen Feier).

Titel von Prölls Diplomarbeit:
„Fusion von Primärgenossenschaften – Motive und Auswirkungen aufgezeigt am Beispiel der Fusion der Raiffeisengenossenschaften von Absdorf und Ziersdorf“

JOSEF OSTERMAYER

Der Medien-Staatssekretär (SPÖ) studierte zwölf Semester Jus und schloss 1985 als Doktor ab. Seine letzte Staatsprüfung legte der spätere Staatssekretär bei einem gewissen Professor Alexander Van der Bellen ab.

Eine Dissertation
blieb Ostermayer erspart –
sie war im damaligen Studienplan nicht vorgesehen.
Privat

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)

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