G20: Fünf Indikatoren gegen globale Krisen

Fuenf Indikatoren gegen globale
Fuenf Indikatoren gegen globale(c) AP (Charles Platiau)
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Die Finanzminister einigten sich auf Messwerte, mit denen Ungleichgewichte zwischen den Ökonomien künftig früher erkannt werden sollen.

Paris. Kann man Erdbeben oder Vulkanausbrüche voraussehen? Nur bedingt, werden Seismologen antworten, die uns auf unterirdische Brüche und tektonische Verschiebungen verweisen. Nicht viel anders scheint es mit den Krisen der Weltwirtschaft zu sein. Das Frühwarnsystem, auf das sich die G20-Finanzminister in Paris am Wochenende einigen konnten, soll rechtzeitig Hinweise auf Verschiebungen und Fehlentwicklungen der Volkswirtschaften geben. Ob damit jedoch Katastrophen wie die jüngste Krise vermieden werden können, ist offen.

Die Ausgangsidee ist es, zunächst Messinstrumente zur Erfassung makroökonomischer Ungleichgewichte oder Exzesse zu entwickeln und danach verbindliche Maßnahmen, die es erlauben, ausgleichend oder notfalls sogar mit Sanktionen gegensteuernd zu wirken. Das tönt als Konzept nobelpreiswürdig bestechend, ist in der Realität unterschiedlicher Interessen der zwanzig größten Wirtschaftsländer der G20-Runde aber nur sehr schwer durchzusetzen.

China verteidigt Währungspolitik

Das belegte die erste Etappe beim Treffen der G20-Finanzminister und Zentralbankchefs in Paris am Wochenende. Bis zuletzt schien eine Einigung vor allem am Widerstand der Volksrepublik China zu scheitern, die fest entschlossen war, ihre Wechselkurspolitik und ihren Handelsüberschuss gegen jeden Einwand zu verteidigen. Ähnliche Vorbehalte bezüglich der Handelsbilanz machte Brasilien. Auch Deutschland bremste aus Angst, dass sich der Versuch, Handelsungleichgewichte abzubauen, am Ende gegen die Exportüberschüsse richten könnte.

Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hatte vergangene Woche vor Journalisten sogar einen Misserfolg des Pariser Treffens als möglich eingestuft und gesagt, das wäre „kein Drama“. Fast wider Erwarten konnte dann am Samstagabend eine erschöpfte, aber über ihren Verhandlungserfolg strahlende Gastgeberin in der abschließenden Pressekonferenz Resultate vorlegen.

Unter ihrer Regie ist es den zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländern gelungen, sich auf eine Art Checkliste mit fünf Indikatoren zu einigen. Das Ziel dabei sei, festzustellen, ob die „Wirtschaftspolitik eines Landes nur für dieses Land oder für alle Länder Vorteile bringt“, so Lagarde. Bei diesen Messwerten, die gemäß Kompromiss weder verbindlich noch gegen bestimmte Länder gerichtet sind, handelt es sich um die realen Wechselkurse, die öffentliche und private Verschuldung, die Währungsreserven und die Leistungsbilanz. Auf ultimativen Druck des chinesischen Ministers Xie Xuren hin werden aber in der Leistungsbilanz die Zinseinnahmen aus den Währungsreserven nicht berücksichtigt. Verständlich, denn China sitzt auf mehr als 2000 Milliarden Euro Währungsreserven. Schließlich wurde auch vereinbart, dass bei der Evaluation mit diesen Indikatoren nationale und regionale Umstände, wie die der großen Energie- und Rohstoffproduzenten, mitberücksichtigt werden.

Die Einigung in Paris wird allgemein als Etappensieg gewertet. Weitere Verhandlungen über etwaige von den Indikatoren abgeleitete Maßnahmen sollen beim Folgetreffen im April sowie durch die Vorbereitungen einer von Deutschland und Mexiko pilotierten Arbeitsgruppe über die Neuordnung des Währungssystems erfolgen. Der Weg zu einer Art Stabilitätspakt der G20-Staaten, die allein 85 Prozent der Weltwirtschaftsleistung repräsentieren, ist aber noch weit und ungewiss.

Weber: Inflation wird steigen

Am Rande des G20-Treffens sorgte der deutsche Bundesbankpräsident Axel Weber mit einer Aussage für Aufsehen: Er erklärte nach einem Gespräch mit seinen 19Amtskollegen, dass der Inflationsdruck weltweit in der kommenden Zeit deutlich zunehmen werde.

Auf einen Blick

Die 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) einigten sich am Wochenende in Paris auf fünf volkswirtschaftliche Indikatoren, mit denen Ungleichgewichte zwischen den Ökonomien erkannt und künftige Krisen vermieden werden sollen. Beim nächsten G20-Treffen im April soll über konkrete Maßnahmen, die von diesen Kriterien abgeleitet werden, diskutiert werden. Das Ziel ist eine Art „G20-Stabilitätspakt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2011)

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