Vorratsdaten gegen Fremdenrecht: Basar im Kanzleramt

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SPÖ stimmte der leichteren Herausgabe von Telefon- und Internetdaten zu. ÖVP machte dafür bei der Schubhaft Zugeständnisse. Auch die Einführung einer Zuwanderung durch die Rot-Weiß-Rot-Card wurde abgesegnet.

Wien/Aich. „Papierln“ lassen muss sich von dieser Regierung niemand mehr. Am Dienstag fand der erste papierlose Ministerrat statt. Die Regierungsmitglieder können ab sofort via WLAN auf elektronische Akten zugreifen. Vielleicht ging auch deswegen mehr weiter als gewohnt. Es sei „ein harter Tag“ für alle, die Streit in der Regierung wittern, scherzte Kanzler Werner Faymann. Ganz so einfach war es aber wohl nicht, denn die im Ministerrat beschlossenen Novellen sind durchwegs Aufregerthemen.

So hatte sich Österreich lange widerspenstig gegenüber den EU-Vorgaben bei der Vorratsdatenspeicherung verhalten und sogar eine Verurteilung durch den EU-Gerichtshof in Kauf genommen. Nun aber zeigt man sich als Musterschüler. Die Telefon- und Internetdaten aller Bürger (wer hat wann mit wem kommuniziert) sollen künftig verpflichtend aufgezeichnet und auch bei leichteren Strafdaten der Justiz übermittelt werden. Die EU hatte dies nur für schwere Straftaten vorgeschrieben. Die SPÖ, die immer für eine möglichst schonende Umsetzung der Richtlinie eintrat, gab nun aber gegenüber der ÖVP nach.

Die Einigung sieht vor, dass man nach richterlicher Anordnung bereits bei Delikten, die mit mehr als einem Jahr Haft bedroht sind, auf die Daten zugreifen darf. Bei Taten mit einer Strafdrohung zwischen sechs Monaten und einem Jahr ist der Zugriff möglich, wenn einer der Betroffenen zustimmt. Wenn sich Person A etwa von Person B gestalkt fühlt, werden die beidseitigen Telefondaten offengelegt, wenn A das fordert. Für die Einsicht in die IP-Adresse, die Identität eines Internet-Users, sollen gar keine Mindeststrafdrohung und kein richterlicher Befehl vonnöten sein. Es reicht die Anordnung eines Staatsanwalts.

Das Justizministerium verweist darauf, dass man bereits jetzt ohne Vorratsdatenregelung in ähnlichen Fällen auf die Daten zugreifen dürfe. Momentan können die Telefon- und Internetanbieter nämlich die Daten zu Verrechnungszwecken speichern und müssen sie auf Wunsch der Justiz herausgeben. Neu ist nun aber die Pflicht, die Daten sechs Monate speichern zu müssen. Opposition und Datenschützer sehen überdies die Freiheit des Bürgers gefährdet, wenn höchstpersönliche Daten ohne Verdacht gespeichert und leichtfertig weitergegeben werden.

Beim Fremdenrecht wiederum gab die ÖVP nach: Die Maximaldauer für die Schubhaft beträgt weiterhin zehn und nicht wie ursprünglich gewünscht 18 Monate. Überdies sollen Kinder nun doch grundsätzlich immer bei ihren Eltern untergebracht werden. Weitere Eckpunkte im Paket, etwa die bis zu sieben Tagen Anwesenheitspflicht für neue Asylwerber, wurden beschlossen. Auch die Einführung einer kriteriengesteuerten Zuwanderung durch die Rot-Weiß-Rot-Card wurde vom Ministerrat abgesegnet.

Gesetz gegen Lohn-Dumping

Beschlossen wurde überdies ein Gesetz gegen Lohndumping. Wer Arbeitnehmer unter dem kollektivvertraglichen Minimum entlohnt, muss mit Strafen zwischen 1000 und 50.000 Euro rechnen. Anlass für das Gesetz ist das Ende der siebenjährigen Übergangsfrist für die 2004 der EU beigetretenen Staaten. Deren Bürgern steht der österreichische Arbeitsmarkt ab dem 1. Mai offen. Auch ein Geburtstagskind gab es im Ministerrat zu feiern: Das Burgenland wird 90. Darum gewährte die Regierung dem Land einen Vier-Millionen-Euro-Zuschuss zur „Zukunftssicherung“. Das einstige Deutsch-Westungarn ist seit 1921 Teil Österreichs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2011)

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