Kommentar: Keine Ahnung von der Realität

Job und Studium sind nur schwer vereinbar. Politik und Unis drücken sich aber vor echten Lösungen.

Wenn mehr als die Hälfte der heimischen Studenten neben ihrer Ausbildung arbeiten, ist dagegen nichts einzuwenden. Dass Unternehmen heute von Absolventen verlangen, bereits erste Berufserfahrungen vorweisen zu können, mag nicht jedem gefallen. Verständlich ist es allemal. Problematisch wird es, wenn ein Gutteil der Studenten angibt, nicht deshalb arbeiten zu wollen, um sich früh den Weg ins Erwerbsleben zu ebnen, sondern arbeiten muss, um sich die universitäre Ausbildung einerseits überhaupt leisten zu können – der Abschluss dann aber andererseits unter ebendieser Berufstätigkeit leidet.

Bis heute ist es (vielleicht abgesehen von den berufsbegleitenden FH-Studiengängen) im heimischen Hochschulsystem nicht gelungen, für die nötige Vereinbarkeit von Job und Studium zu sorgen. Die Universitäten stehen bis heute auf dem Standpunkt, dass ein paar Blocklehrveranstaltungen und Wochenend-Seminare ausreichen, um ein berufsbegleitendes Studium zu ermöglichen. Auch auf zusätzliche Budgetmittel, die qualitätsvolle Teilzeitstudien ermöglichen, können sie nicht hoffen.

Dass das Bologna-System in seiner oft missglückten Umsetzung zu einer weiteren Verschulung des Uni-Sektors geführt hat, ist zwar mittlerweile allgemein bekannt, vor Nachbesserungen drücken sich Politik und Unis aber erfolgreich. Statt sich über die Drop-outs – zu denen die schlechten Studienbedingungen führen – zu wundern, wären sie gefordert, endlich zu handeln.

christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2011)

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