Privatschulen kämpfen um Gleichberechtigung

Privatschulen kaempfen Gleichberechtigung
Privatschulen kaempfen Gleichberechtigung(c) Fabry
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Die Privatschulen in freier Trägerschaft fürchten um ihre Zukunft – und fordern höhere staatliche Zuschüsse. Die Besserstellung der Privaten könnte den Wettbewerb ankurbeln, sagen auch Experten.

Knapp 4,5 Mio. Euro – diesen Betrag erhielten Österreichs nicht-konfessionelle Privatschulen bisher pro Jahr an öffentlicher Unterstützung. Eine Summe, die der Bund auch für 2011 erneut zur Verfügung stellen will – allein: Die Zahl der Schüler an Waldorf-, Montessori- und anderen alternativpädagogischen Schulen ist um mehr als 1000 gestiegen. Für die betroffenen Schulen – die nun ihre Existenz bedroht sehen – bedeutet das reale Budgetkürzungen von bis zu 20 Prozent. Im Gegensatz zu den kirchlichen Privatschulen erhalten sie auch die Lehrerkosten nicht ersetzt.

Mittels Bürgerinitiative wollen Privatschulvertreter jetzt eine Gesetzesänderung erkämpfen: „Schulen in freier Trägerschaft mit Öffentlichkeitsrecht sollen Rechtsanspruch auf Abdeckung ihrer Kosten in Höhe der durchschnittlichen Kosten anderer Schulen haben“, so die Forderung, die bis Anfang April mindestens 10.000 Menschen unterschreiben sollen – und die dann dem Nationalrat vorgelegt wird.

Die Privatschulvertreter stehen mit ihren Anliegen nicht alleine da. Auch Experten fordern eine Neugestaltung des Privatschulsektors.Denn: Derzeit ist der öffentliche Bildungssektor teuer – dabei aber wenig effektiv. Die Privatschulen, die mehrheitlich hohe Gebühren einheben, werden immer mehr zu exklusiven Bildungseinrichtungen, die nur finanziell Bessergestellten offenstehen.

Wettbewerb um beste Konzepte

Der deutsche Bildungsökonom Ludger Wößmann, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität und Bereichsleiter am Institut für Wirtschaftsforschung in München, fordert im Gespräch mit der „Presse“ ein Bildungssystem, das allen Schulen „gleiche Chance zur Finanzierung sichert“. Nicht nur öffentliche Schulen, sondern auch Privatschulen sollen gänzlich mittels Pro-Kopf-Finanzierung staatlich finanziert werden. In den Niederlanden hat sich dieses System bereits bewährt: Drei Viertel aller Schüler (in Österreich sind es nur rund neun Prozent) gehen dort auf eine nicht-öffentliche Schule – deren Kosten der Staat trägt.

Die Vorteile des Systems? Private und öffentliche Schulen stünden „im positiven Wettbewerb um die besten Konzepte“, sagt Wößmann. Durch die Konkurrenz hätten Schulen den Anreiz, ihre Budgetmittel so effizient wie möglich einzusetzen. Und jene Schule, die bei Eltern und Schülern punkten kann, wird einen starken Zulauf verspüren und dadurch mehr Förderungen lukrieren. Jene Schulen, die keinen guten Job machen, bekommen das hingegen mit Kürzungen des Budgets quittiert. Die Privatschulen würden so „enorm an Potenzial gewinnen“.

Parallel, sagt Wößmann, müsse die Autonomie staatlicher Schulen ausgebaut werden. „Derzeit haben wir fast ein planwirtschaftliches System.“ Der Posten des Schulleiters dürfe kein „Verwaltungsposten“ mehr sein – der Direktor müsse zum Manager werden. Externe Leistungsüberprüfungen – etwa in Form von zentralen Abschlussprüfungen – müssen vom Staat vorgegebene Leistungsstandards sichern. „Sobald Standards klar von außen gesetzt werden, führt das dazu, dass die Schüler viel mehr lernen.“

In Österreich ist man, das zeigt die aktuelle Debatte, von derartigen Überlegungen jedoch weit entfernt. Man befinde sich „am Rande der finanziellen Existenz“, sagt Egbert Amann-Ölz von der Bürgerinitiative. Gefahr drohe auch durch eine Weisung des Unterrichtsministeriums, die zuletzt an den Landesschulrat für Niederösterreich erging: Das Gesetz besagt, dass Lehrer an den nicht-konfessionellen Schulen eine Lehrbefähigung für „die betreffende oder eine verwandte Schulart“ oder „eine sonstige geeignete Befähigung“ nachweisen müssen. In der Weisung interpretiert das Ministerium die Regelung aber so, dass auf jeden Fall eine staatliche pädagogische Ausbildung nötig ist. Die Folge laut Landesschulrat: Künftig müssen alle neu Eingestellten das Lehramt für die entsprechende Schulstufe haben. Die Privatschulen stellt das vor erhebliche Probleme.

Initiative will „volle Autonomie“

Das Ministerium erklärt, dass das Schreiben „aus Gründen der Qualitätssicherung“ nach Niederösterreich geschickt worden sei. Dort sei es zu „Auffälligkeiten“ gekommen. Es müsse gewährleistet sein, dass die Ausbildung der Schüler „durch qualifiziertes Lehrpersonal erfolgt“. Man wolle an bestehenden Schulen nicht in den Lehrerstand eingreifen – bei neu zu errichtenden Schulen sei bei der Einstellung von Lehrern aber eine Lehrbefähigung für die betreffende oder verwandte Schularten nachzuweisen.

Der „Nachweis der sonstigen Befähigung“ komme nur für jene Gegenstände in Betracht, für die es keine staatliche Lehrbefähigung gibt – etwa Eurythmie. „Selbstverständlich“, heißt es in dem Schreiben, seien Zusatzausbildungen wie Waldorf- oder Montessoripädagogik kein Anstellungshindernis. Den Vertretern der Initiative ist das zu wenig: Sie wollen, so eine Forderung, „volle Autonomie für die Umsetzung der jeweiligen pädagogischen Inhalte im Rahmen der genehmigten Lehrpläne und Statuten genießen“.

Auf einen Blick

Privatschulen in freier Trägerschaft werden seit 2009 mit 4,5 Millionen Euro pro Jahr vom Bund gefördert. Zuvor betrug das Budget 2,2 Mio. Euro. Derzeit besuchen rund 5500 Schüler (und 500 Lehrer) Privatschulen in freier Trägerschaft. Zusammen mit den konfessionellen Privatschulen zählt der Sektor rund 107.000 Kinder. Hinzu kommen 40 freie Schulen ohne Öffentlichkeitsrecht. Die Bürgerinitiative „Freie Schulwahl ohne Schulgeld – jetzt“ setzt sich für die Besserstellung der Privaten ein – und will am 6.April eine Petition in den Nationalrat einbringen. www.freieschulwahl.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2011)

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