Eine gemeinsame Obsorge "zwangsweise" zu verordnen sei "Sozialromantik", heißt es vonseiten der Wiener Frauenhäuser.
Monika Pinterits von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien und Andrea Brem von den Wiener Frauenhäusern, die auch Mitglieder der Arbeitsgruppe zum Familienrecht sind, sind mit dem Entwurf von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) für entsprechende Neuerungen nicht zufrieden. Und auch FPÖ-Vizeparteiobmann Norbert Hofer zeigte sich in einer Aussendung vom Entwurf nur teilweise überzeugt.
Es gebe noch Diskussionsbedarf, berichtete Brem am Montagnachmittag nach der vorerst letzten Sitzung der Arbeitsgruppe. Den Entwurf gleich in Begutachtung zu schicken, wäre nicht gut, sie ersuche "dringend", Tempo rauszunehmen und weiter zu diskutieren. So sei etwa die vorgesehene Möglichkeit einer Doppelresidenz für Scheidungskinder problematisch, da derartiges für ein Kind grundsätzlich nicht optimal sei. Eine gemeinsame Obsorge "zwangsweise" zu verordnen sei "Sozialromantik", sie fürchte, das würde zulasten der Kinder gehen, so Brem.
Zusätzliches Konfliktpotenzial
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien ist der Meinung, dass der Entwurf zusätzliches Konfliktpotenzial für Eltern birgt. Es sei sinnlos, Eltern nur durch rechtliche Vorgaben in ihre Verantwortung zu zwingen, meinte Pinterits in einer Aussendung. Eine "zwingende" gemeinsame Obsorge und ein verpflichtendes Besuchsrecht würden jegliches Verständnis für Verantwortung blockieren. Es brauche eine Schiedsstelle, wo ein "multiprofessionelles Team" gemeinsam mit den Eltern Lösungen erarbeite.
Beim Besuchsrecht gebe es Handlungsbedarf, wenn weder Gewalt noch Missbrauch vorliegen, müsste es "viel rascher" zu einem Besuchsrecht kommen. Eine Vereinbarung müsse aber "altersadäquat auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet sein". "Paradox" erscheint Pinterits, dass das "Kindeswohl" vom Staat mit wirtschaftlichem Wohlergehen gleichgesetzt werden solle: "So erhält im Streitfall oft der reichere Elternteil die Obsorge für das Kind."
Bandion-Ortner hatte am Montag erklärt, dass es keine weitere Sitzung der Arbeitsgruppe geben werde und nun politische Gespräche folgen sollen. Die Kritik in der Arbeitsgruppe werde für den Begutachtungsentwurf "berücksichtigt", es werde "allenfalls" Adaptierungen geben.
FPÖ für gemeinsame Obsorge
"Ich bin fest davon überzeugt, dass die gemeinsame Obsorge der richtige Weg ist. Denn Eltern bleiben auch nach einer Trennung Eltern", betonte indes Hofer von der FPÖ. Wenig überzeugt ist Hofer vom vorgesehenen Mindestbesuchsrecht, das nur für Schulkinder vorgesehen ist: "Eine Entfremdung ist besonders bei Kleinkindern besonders rasch vollzogen. Es wäre daher schade, wenn man Kindern im Kindergartenalter dieses Mindestbesuchsrecht vorenthalten würde."
(APA)