Frankreich: Alain Juppé, der neue starke Mann

(c) AP (Jacques Brinon)
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Ex-Premier Juppé soll als neuer Außenminister Frankreichs Prestige in der arabischen Welt und Präsident Nicolas Sarkozys Glaubwürdigkeit retten. Er gilt aufgrund seiner Erfahrung als politisches Schwergewicht.

Paris. Der neue Außenminister Alain Juppé wird von mehreren französischen Zeitungen als „starker Mann“ in der umgebildeten Regierung und als „Retter für den angeschlagenen Ruf der französischen Diplomatie“ bezeichnet. Er gilt aufgrund seiner Erfahrung als politisches Schwergewicht, das sich bestimmt nicht mit der Rolle eines bloßen Sprachrohrs des Staatschefs in der Außenpolitik begnügen dürfte.

Juppé war bereits von 1993 bis 1995 Chef der Diplomatie und danach erster Premierminister von Präsident Jacques Chirac, dessen engster Mitarbeiter er schon im Pariser Rathaus und in der Führung der gaullistischen Partei RPR gewesen war. Er besitzt zudem die Stärke eines Politikers, der mehrfach für erledigt erklärt worden ist und jedes Mal wieder erfolgreich sein Comeback feiern konnte, und der frei nach Nietzsche sagen kann: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

Für einen Präsidenten wie Nicolas Sarkozy, der bisher uneingeschränkt die Außenpolitik bestimmt und auch verkörpert hat, kann von einer solchen Persönlichkeit Konkurrenz erwachsen. Die Notlage, in der sich die Staatsführung nicht zuletzt durch die Schuld der abgesetzten Außenministerin Michèle Alliot-Marie befand, ließ dem Präsidenten aber keine andere Wahl, als auf die Karte dieses krisenerprobten Gaullisten aus der Chirac-Ära zu setzen. Die abgesetzte Außenministerin war über ihre umstrittenen Kontakte zum Umfeld des gestürzten tunesischen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali gestolpert.

„Schwäche des Präsidenten“

In manchen Kommentaren wie beispielsweise in „Sud-Ouest“ wird bereits gefolgert: „Die Rückkehr von Juppé ins Quai d'Orsay (das Außenministerium) ist ein Ausdruck der Schwäche von Nicolas Sarkozy.“ Und eine andere Regionalzeitung, „Courrier Picard“, prophezeit, der Staatschef starte nun „geschwächt, ermüdet und fiebrig in die letzte Etappe seiner Amtszeit“, die in etwas mehr als einem Jahr zu Ende geht.

Gerüchten zufolge hat Juppé seinen Job als Nachfolger der entlassenen Alliot-Marie nur unter der Bedingung akzeptiert, dass künftig der Außenminister und nicht ein Berater des Staatschefs die Diplomatie leite. Die Kontakte zu Syrien oder Afrika etwa waren eine exklusive Angelegenheit des Generalsekretärs im Elysée-Palast, Claude Guéant. Über die restliche Welt entschied der diplomatische Berater, Jean-David Levitte.

Innenminister wird ersetzt

Juppés Forderung nach einer Klärung der Kompetenzen zwang Sarkozy zu einem doppelten Opfer. Er musst auch seinen langjährigen Freund, Innenminister Brice Hortefeux, über die Klinge springen lassen und auf Guéant im Elysée verzichten, der Hortefeuxs Nachfolger wird. Klar geschwächt wird durch Juppés triumphale Rückkehr ins Außenministerium hingegen Premier François Fillon, der die Vorgängerin Alliot-Marie bis zuletzt verteidigt hat und noch gestern, Montag, erklärte, ihre Absetzung sei „keine moralische Sanktion“, sondern ein rein politischer Entscheid, weil die Ministerin durch die Polemik als Stimme Frankreichs „unhörbar“ geworden sei.

Eine andere Frage ist es, ob es sich der Präsident, der ja aus seinem Wunsch nach einer zweiten Amtszeit kein Hehl macht, leisten kann, dass sich neben ihm auf dem internationalen Parkett ein „starker Mann“ profiliert. Zweifellos zählt Sarkozy nun darauf, dass es ihm der doppelte G8- und G20-Vorsitz erlauben wird, das moralische und politische Debakel seiner Diplomatie in Tunesien, Ägypten und Libyen rasch vergessen zu lassen und so auch innenpolitisch seine Glaubwürdigkeit und seine Aussichten auf eine Wiederwahl zu retten.

Auf einen Blick: Neubesetzungen im Kabinett

Neuer Außenminister ist der bisherige Verteidigungsminister Alain Juppé (65), er folgt auf Michèle Alliot-Marie, die wegen ihrer umstrittenen Kontakte zum Clan des gestürzten tunesischen Diktators Ben Ali gehen musste. Neuer Verteidigungsminister wird der Fraktionschef der regierenden konservativen UMP im Senat, Gerard Longuet (65). Innenminister Brice Hortefeux (53) wird durch Claude Guéant (66) ersetzt, der bisher Generalsekretär im Elysee-Palast war. Hortefeux, langjähriger Gefolgsmann Nicolas Sarkozys, soll nun politischer Berater des Präsidenten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2011)

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