Lexikon: Der Staat und sein überwachter Bürger

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Was das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kann und was nicht - ein Überblick über die wichtigsten Fragen zur verdachtsunabhängige Speicherung von Telefon, Handy und Internetverbindungsdaten.

• Was wird gespeichert?
Betroffen von der sechs Monate dauernden Aufzeichnung sind sogenannte Verkehrsdaten. Aus ihnen geht hervor, wer wann von wo aus wie oft und wie lange Kontakt hatte. Betroffen ist die Kommunikation via Telefon, Handy und Internet. Darunter fallen Absender und Empfänger von SMS und E-Mails genauso wie Nutzer von Internet-Telefonie (Skype) und Messenger-Diensten. Inhaltsdaten (das Telefongespräch selbst oder der Text eines E-Mails) sind von der Speicherung ausgenommen. Kritiker führen jedoch an, dass auch Verkehrsdaten als Inhaltsdaten interpretiert werden können. Etwa dann, wenn Patienten mit auf bestimmte Krankheiten spezialisierten Ärzten oder Geheimnisträger mit Journalisten telefonieren.


• Warum wird gespeichert?
Basis ist eine Richtlinie der EU, die die Maßnahme bereits vor fünf Jahren beschlossen hat. Das BZÖ, das heute gegen die Speicherung auftritt, hat die Entscheidung mitgetragen. Zuständige Ministerin damals war Karin Gastinger.

• Wann darf der Staat zugreifen?

Die Regierung betonte stets, dass jeder Zugriff von einem Richter kontrolliert wird. Allerdings: Es gibt zahlreiche Ausnahmen. Der Polizei räumt das Gesetz künftig weitreichende Rechte zur Abwehr „allgemeiner Gefahren“ ein. Richterliche Kontrolle ist nicht vorgesehen. Damit ist theoretisch eine Beauskunftung zu jedem Bagatelldelikt und zu jeder angeblichen Bedrohungslage möglich. Bisher musste immerhin eine „konkrete Gefahr“ nachgewiesen werden. In Zukunft entfällt das. Auch der Staatsanwalt kann die Auswertung von Kommunikationsdaten am Richter vorbei durchführen. Das gilt insbesondere für IP-Adressen. Die Arge Daten veröffentlichte kürzlich einen vertraulichen Schriftverkehr zwischen Staatsanwälten, die sich über die bisher gültigen Datenschutzbestimmungen beschwerten. Einer äußerte die Hoffnung, dass das neue Gesetz die Eingangshürden senken würde. Das scheint nun der Fall zu sein.

• Ist das Gesetz unausweichlich?
Setzt Österreich die Datenspeicherung nicht um, drohen Strafen von der EU. Zwar gibt es selbst in der Regierung kritische Stimmen, für Strafzahlungen in Millionenhöhe will jedoch niemand öffentlich verantwortlich sein. Allerdings: Die EU verlangt nicht, dass das Gesetz unbedingt in der derzeit vorliegenden Fassung beschlossen wird. awe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2011)

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